AG Bildung: Der Ursprung des Mehrwertes

Im KI-Newsletter vom 1. Juni haben wir uns mit dem zentralen Gesetz der kapitalistischen Produktion beschäftigt. Das Gesetz der „Akkumulation des Kapitals“ beschreibt den unmittelbaren gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen der Produktion und Aneignung von Mehrwert sowie der Akkumulation von Kapital einerseits und der Verelendung der Arbeiterklasse andrerseits auf Grundlage des privaten Besitzes an den Produktionsmitteln. Wir hatten festgestellt, dass das dem Warenwert entsprechende Geldkapital (G`) in der dritten Phase der Kapitalbewegung (also nach dem Produktionsprozess) einem größeren Wert entspricht als der Summe des Geldkapitals (G) vor dem Produktionsprozess. Die Differenz zwischen G` und G entspricht vereinfacht formuliert dem Mehrwert, den sich der Kapitalist unentgeltlich aneignet und es erneut als – der Ausbeutung der Arbeiterklasse dienende – Kapital in die Zirkulation einsetzt. Durch die immer produktiver werdende Arbeit erzeugt die Arbeiterklasse als Quelle des Wertes immer mehr Reichtum. In dem folgenden Abschnitt wollen wir uns nun mit dem Ursprung des Mehrwertes beschäftigen.

Im Kapitalismus nehmen viele Gegenstände den Charakter einer Ware ein und selbst die Arbeitskraft wird als Ware gehandelt. Auf dem „Arbeitsmarkt“ bietet der Arbeiter seine Ware „Arbeitskraft an und erhält dafür eine bestimmte Geldmenge in Form seines Lohnes. Dieser Lohn entspricht dem Wert seiner Arbeitskraft.
Vergleichbar mit dem (Tausch-)Wert jeder anderen Ware (vergl. Newsletter vom 1.4.10) wird auch der Wert der Ware Arbeitskraft durch die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit zur Produktion und Erhaltung einer Ware, hier die Arbeitskraft selbst definiert. Der Wert der Arbeitskraft wird also durch die Reproduktionskosten des Arbeiters und dessen Familienangehörigen bestimmt. Dazu gehören vor allem die Kosten für die zum Überleben notwendigen Nahrungsmittel und die dem Schutzbedürfnis des Menschen dienende Bekleidung und Unterkunft. In die Reproduktionskosten fließen aber auch die Kosten für die  Bildung und die Erziehung des Arbeiters und seiner Familie ein.
Aus der Definition des Wertes der Ware Arbeitskraft kann gefolgert werden, dass die Arbeitskraft keine konstante Größe ist, da die Kosten der Lebenshaltung zeitlich und räumlich variieren können. Bezogen auf die Kaufkraft unterscheiden sich z.B. die Kosten für die Nahrungsmittel vor 100 Jahren von denen im heutigen 21. Jahrhundert. Vergleichbar mit zeitlichen Unterschieden in der Höhe der Reproduktionskosten können auch räumliche Differenzen in den Reproduktionskosten Schwankungen im Wert der Arbeit begründen.
Zudem variieren auch die Kosten für die Bildung der Arbeiter und deren Familien, für kulturelle Bedürfnisse, etc. Der Umfang der geistigen, existentiell nicht notwendigen Bedürfnisse der Lohnarbeiter ist in erster Linie Ausdruck der Klassenauseinandersetzungen und letztendlich ein historisches Produkt.
Steigende Kosten für Nahrung, Bekleidung, etc. lassen den Wert der Arbeitskraft steigen, während analog der Wert der Arbeitskraft bei sinkenden Lebenshaltungskosten fällt. Beeinflusst wird der Wert der Arbeitskraft zusätzlich durch steigende und fallende Produktivitäten, denn steigende Produktivitäten durch technologischen Fortschritt (z.B. in der Lebensmittel- und Textilindustrie) bedingen ein Absinken der Lebenshaltungskosten und daraus resultierend einen geringeren Wert der Arbeitskraft.
Neben ihrem (Tausch-)Wert besitzt die Ware Arbeitskraft einen Gebrauchswert, denn – und dieses ist die Voraussetzung – die Arbeitskraft ist nützlich (vergl. KI-Newsletter vom 1.4.2010) indem sie neue Waren herstellen kann. Die Arbeitskraft realisiert ihren Gebrauchswert im Besitz und unter dem Kommando des Kapitals. Der spezifische Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft besteht also in ihrer Eigenschaft, Werte zu schaffen, die größer sind als die Arbeitskraft selbst.   
Und eben hier liegt auch der Grund, warum auch unter der Beibehaltung des Äquivalententausches, d.h. des Tausches der Ware Arbeitskraft mit einem äquivalenten Wert, die Ware Arbeitskraft im Kapitalismus ausgebeutet werden kann:    
Oben definierten wir den Wert und den Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft. Wir stellten u.a. fest, dass die Äquivalentbeziehung zwischen “Arbeitskraft” und “Lohn” durch die Kampfbedingungen und den Kräfteverhältnissen zwischen Gewerkschaften einerseits und Kapitalistenverbänden andrerseits beeinflusst wird. Unter der Annahme, dass zwischen beiden Interessensgruppen ein zum Wert der Arbeitskraft äquivalenter Lohn ausgehandelt wurde, wird die Lohnarbeit dennoch ausgebeutet. Hintergrund der Ausbeutung ist der Umstand, dass die Lohnarbeit die Eigenschaft hat,
“Quelle von Wert zu sein, und zwar von mehr Wert als sie selbst ist.” (Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 202)
Die Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft und dem Ergebnis ihres Gebrauchs, der lebendigen Arbeit als Quelle von Wert, ist der Mehrwert. Er errechnet sich aus der Differenz des Tageswerts der Arbeitskraft und des Wertes des an einem Arbeitstag geschaffenen Produktes. Der Kapitalist zahlt dem Proletarier, wie wir gesehen haben, den Wert seiner Arbeitskraft (= den Tauschwert) in äquivalenten Löhnen. Der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft (d.h. konkrete Arbeit) umfasst gegenüber dem Tauschwert der Ware Arbeitskraft einen nominell höheren Wert, den sich der Kapitalist in Form des Mehrwertes aneignet:      
“Diese Wertdifferenz hatte der Kapitalist im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte.” (Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 208)
und sie sich als Mehrwert unentgeltlich aneignet, da das Produkt der Arbeit
“…Eigentum des Kapitalisten ..”  ist und
“…nicht des unmittelbaren Produzenten.” (Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 208)
Neben den bereits zitierten Textstellen werden noch folgende Kapital aus der Primärliteratur empfohlen:   
1. Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 181-191
2. Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 331-335
Hinweise, Anmerkungen und/oder Kommentar zum Text bitte an die AG unter bildung@kommunistische-initiative.de

AG Bildung

//