AG Bildung: Die erweiterte Reproduktion oder die Akkumulation des Kapitals (Teil II)

Im vergangenen KI-Info lernten wir das Schema der erweiterten Reproduktion kennen. Die erweiterte Reproduktion beschreibt die realen Reproduktionsverhältnisse im Kapitalismus, denn ein Teil des Mehrwertes wird vom Kapitalisten als Kapital eingesetzt. Mit diesem neuen Kapital kauft der Kapitalist Produktionsmittel und die Ware Arbeitskraft. Erst mit dieser Bewegung wird Geld zu Kapital, denn jetzt dient es ausschließlich dem Zweck, durch die Ausbeutung Mehrarbeit aus dem Lohnarbeiter herauszupressen und sich diese unentgeldlich anzueignen. Im neuen Produktionszyklus schafft der Arbeiter erneut einen Mehrwert, von dem wiederum ein Teil in dem Betrieb investiert wird. Diese Bewegung wiederholt sich von Zyklus zu Zyklus und sie beschreibt das Wesen des Kapitalismus: Die Akkumulation des Kapitals.
Aus dem Reproduktionsschema konnten wir weiterhin ableiten, dass mit jedem Zyklus ein Mehr an Konsumtionsmitteln produziert werden, für dessen Verbrauch keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Der Mangel an kaufkräftiger Nachfrage resultiert im wesentlichen aus zwei Aspekten:
– die Arbeiter produzieren mehr, als sie an Löhnen erhalten,
– die Kapitalisten konsumieren weniger, als sie sich an Einkommen (d.h. Mehrwert) aneignen. Ein Teil Ihres „Verdienstes“ müssen sie kapitalisieren.

Beide Klassen verfügen über nicht genügend Kaufkraft, so dass eine beständige und zunehmend wachsende Menge an Konsumgütern auf dem Markt angeboten wird. Der in den Waren enthaltende Mehrwert kann von den Kapitalisten also nicht realisiert werden. Der Anteil des nichtrealisierten Mehrwertes wird mit zunehmender Entwicklung der Produktivkräfte immer größer. Zusammenfassend stellt die Überproduktion eine unabwendbare Konsequenz und einen integralen Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise dar. Vor diesem Hintergrund gehen Forderungen der bürgerlichen, reformistischen und sich links-gebährenden Institutionen und Organisationen (Attac, Führer der bürgerlichen Gewerkschaften, Partei Die Linke, etc.), eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik als Strategie zur Lösung von Krisen zu etablieren, an der Realität sprich den Ursachen von Überproduktionskrisen komplett vorbei. Eine Erhöhung der Kaufkraft resp. der Nachfrage durch Lohnsteigerungen, Steuersenkungen, etc. beseitigt keine Überproduktionskrisen und erst recht nicht das Elend der Arbeiter, sondern verlagert die Krisen in den nächsten oder übernächsten Zyklus und wirkt daher systemerhaltend.
Neben der Produktion von nicht konsumierbaren Gütern verbirgt sich in der kapitalistischen Produktion ein weiteres grundsätzliches Problem. Auf gesellschaftlicher Ebene kann im Kapitalismus die Reproduktion der Produktions- und Konsumgüter nicht geplant werden, denn jeder Kapitalist denkt und wirtschaftet auf seine eigene Rechnung. Wie viele Wohnungen im nächsten Produktionszyklus zur Befriedigung der Bedürfnisse einer Gesellschaft gebaut werden müssen – diese oder vergleichbare Überlegungen sind einem Kapitalisten fremd, denn sein Handeln ist auf die Maximierung des Profits und nicht auf die Bedürfnisbefriedigung der Menschen ausgerichtet. Und nun steht die Klasse der Kapitalisten in einer Gesellschaft vor dem Problem, dass sie heute die Güter vorausschauend produzieren muss, die morgen zur Erweiterung der Produktion gebraucht werden – und dies vor dem Hintergrund von individualiserten Entscheidungsprozessen.  
Statt einer auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmten und geplanten Ökonomie erfolgt die Organisation/Regulierung der kapitalistischen Reproduktion auf einem chaotischen und anarchistischen Tummelplatz, dem sogenannten Markt. Die bei der Reproduktion der Produktionsmittel auftretenden Probleme und Schwierigkeiten sollen nach Ansicht der bürgerlichen Ökonomen auf dem Markt durch das Angebot und die Nachfrage von bzw. an Waren gesteuert und korrigiert werden. Ein Beispiel veranschaulicht die Regulierung der Reproduktion durch eine Angebots- und Nachfragedynamik.
Ausgangspunkt ist der gesellschaftliche Bedarf von 100 Autos. Bietet nun lediglich ein Kapitalist diese nachgefragte Menge an, kann er als Monopolist auf dem Markt einen hohen Preis durchsetzen. Tatsächlich produzieren aber mehrere Kapitalisten nicht die nachgefragten 100 sondern angenommen 500 Autos. Aufgrund des Angebotsüberhanges wird der ursprüngliche Preis auf dem Markt nicht mehr durchgesetzt und der Preis sinkt, da alle Kapitalisten ihre Produkte verkaufen und ihren Mehrwert realisieren wollen. Im nächsten Zyklus produzieren die Kapitalisten bei einer Nachfrage von konstant 100 Autos nur noch 50 Autos, da sie fürchten, ihre Autos mehr absetzen zu können. Aufgrund des Nachfrageüberganges wird der Preis ansteigen. Die Regulierung des Angebotes setzt sich fort, bis – so die Theorie – sich ein nachfrageorientiertes Angebot mit einem Marktpreis einpendelt. Dieses Prinzip herrscht sowohl für alle Produktions- und Konsumtionsmittel in einer Gesellschaft. Für einzelne Produkte funktioniert die Regulation der Reproduktion auf dem Markt. Die Praxis zeigt aber auch die immer wiederkehrenden Probleme mit der marktregulierten Reproduktion (z.B. das Angebot reagiert immer mit einem Zeitfenster auf die Nachfrage, „Verramschung“ einzelner Produkte unter ihrem Wert resp. deren Vernichtung, Vernichtung von Ressourcen und Produktionsmitteln). Nur eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte geplante und realisierte Reproduktion bietet die Voraussetzung für die Vermeidung der genannten Probleme.        
Nach diesem kurzen Exkurs zu einem der grundsätzlichen Probleme der kapitalistischen Reproduktion wollen wir uns erneut dem Problem der Überproduktion an Konsummittel (und Produktionsmittel!) zuwenden und uns der Frage widmen, wie der Kapitalist dennoch seinen, in dem Mehr an Produkten steckenden Mehrwert realisieren kann. Stellvertretend für ein komplexes, sich aus der kapitalistischen Produktionsweise entwickelndes Strategienpaket zur Vermeidung und Reduzierung der Überproduktion sollen im Folgenden zwei Aspekte erörtert werden.
Alljährlich lesen wir in der Zeitung von der Bedeutung Deutschlands als eines der führenden Exportländer der Welt. Die bürgerliche Politik ist darauf ausgerichtet, diesen Status zu erhalten resp. zu verbessern und erneut zum Exportweltmeister zu mutieren. Reicht die Binnennachfrage zum Absatz aller produzierten Güter nicht aus, so garantiert der Export inländisch hergestellter Produkte dem Kapital die Realisierung des erzeugten Mehrwertes. In diesem Zusammenhang wird uns die Bedeutung der Eroberung neuer Absatzmärkte, seien sie in Afghanistan oder im Irak gelegen, nur allzu deutlich vor Augen geführt.
Neben der Ausdehnung der Absatzmärkte herrscht zwischen den Kapitalisten in Abhängigkeit von der Branche ein mehr oder weniger brutal ausgetragener Verdrängungswettbewerb, indem jeder Kapitalist versucht, seinem Konkurrenten einen Teil der Nachfrage abzujagen. Dieses wird z.B. dadurch umgesetzt, indem die Produkte eines Kapitalisten gegenüber den handelsüblichen Preisen zu niedrigeren Verkaufspreisen auf dem Markt angeboten werden. Zwar wird kurzfristig durch die Dumpingpreise der Profit des Kapitalisten reduziert, aber der vorpreschende Kapitalist erhofft sich, den oder die lästigen Konkurrenten in den Ruin treiben zu können. In diesem Zusammenhang sind auch die Unsummen verschlingenden Werbemaßnahmen zu nennen, denn die gezielte Manipulation der Märkte und der Konsumenten ist eine Reaktion des Kapitals auf die Überproduktion der kapitalistischen Reproduktion. Ist die Nachfrage für alle Anbieter nicht groß genug, sollen die Werbemanager für eine ausreichend große Attraktivität der Produkte ihrer Auftraggeber sorgen.
Die beständige Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital bildet sich in einem Wachstum des in den Produktionsprozess eingehenden Kapitals ab. Das akkumulierte Kapital führt zu einer Konzentration des Kapitals, bei dem immer größer werdende Kapitalansammlungen resp. Produktionsmittel unter der Kontrolle der Kapitalisten entstehen. Analog zu der Kapitalakkumulation konzentrieren sich die Arbeitskräfte auf immer weniger Betriebe. Der Konzentrationsprozess als solcher setzt eine zunehmende Produktivität der Arbeit voraus, bei der die Arbeitskraft pro Zeiteinheit zunehmend mehr Produktionsmittel in Bewegung setzt. Wachsende Produktivkräfte führen aber auch wiederum zu einer Beschleunigung der Kapitalisierung des Mehrwertes, d.h. der Akkumulation. Dadurch reproduziert der Arbeiter die Ausbeutungs- und Klassenverhältnisse immer wieder aufs Neue. Unabhängig von der Konzentration des Kapitals stehen sich die Kapitalisten nach wie vor als unabhängige und – wie wir weiter oben gesehen haben – miteinander konkurrierende Warenproduzenten gegenüber.
Eine Folge des Verdrängungswettbewerbes ist die Zentralisation des akkumulierten Kapitals. Hierunter wird die Verwandlung vieler kleinerer in wenige größere Kapitale verstanden. Zentralisationsprozesse können z.B. bei der Fusionierung zweier Banken beobachtet werden. Zentralisation findet aber auch statt, wenn Überproduktionskrisen konkurrenz- und kapitalschwächere Betriebe in den Ruin treiben bzw. diese kurz vor der Insolvenz stehen und kapitalstärkere Betriebe sich die Produktionsmittel der insolventen Betriebe einverleiben. Ein Kapitalist raubt förmlich einem anderen Kapitalisten seine Produktionsmittel. Im Gegensatz zur Konzentration impliziert die Zentralisation des Kapitals eine Neuverteilung des bereits vorhandenen und funktionierenden Kapitals. Dementsprechend ist die Zentralisation nicht auf das Wachstum eines Betriebes als notwendige Bedingung angewiesen.   
Die Vergrößerung der Kapitale durch Konzentration und Zentralisation ermöglichen einerseits eine maximale Zusammenfassung der Produktion in Großbetriebe und andrerseits gehen sie mit einer zunehmenden Vergesellschaftung der Arbeit einher. Lenin hat in seinem sechzig Jahre nach Marx`s Kapital erschienenen epochalen Werk “Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus” den hohen Konzentrations- und Zentralisationsgrad der kapitalistischen Ökonomien dezidiert untersucht und mit umfangreichen, zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Datenmaterial die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Marx nochmals anschaulich bewiesen.    
Wir haben gesehen, dass die Konzentration und die Zentralisation der Kapitale die Prozesse sind, denen wir die Anwesenheit großer Konzerne wie VW, BASF Hoechst, EON, etc. und deren ungeheure Ausdehnung verdanken. Die Großbetriebe mit leistungsfähigeren Produktionsverfahren und -techniken rücken – überwiegend als Aktiengesellschaften – in den ökonomischen Vordergrund und ruinieren die Vielzahl von kleinen und mittleren Betrieben. Einige wenige Kapitalisten entscheiden als Besitzer von riesigem Vermögen über die Zukunft tausender lohnabhängiger Arbeiter.
Die vom Markt verdrängten Kapitalisten, die handwerklichen Kleinbetriebe und Lebensmittelhändler, etc. werden ihrer Produktionsmittel beraubt und müssen sich als Lohnabhängige verdingen. Die Konzentration und die Zentralisation vergrößert im Ergebnis das Heer der lohnabhängigen, der proletarischen Klasse. Die Grenzen – und dies verdeutlicht Marx – zwischen Bourgeoisie und Proletariat sind fließend: einmal Kapitalist zu sein bedeutet nicht zwangsläufig immer Kapitalist zu sein:

Die Akkumulation des Kapitals vollzieht sich in einer beständigen Veränderung in ihrer qualitativen Zusammensetzung, d.h. in einer kontinuierlichen Zunahme des konstanten auf Kosten des variablen Kapitals (vergl. auch den Beitrag „Jagd nach dem Extraprofit“ der AG). Da nun die Nachfrage nach Arbeit nicht durch das Anwachsen des Gesamtkapitals, sondern lediglich durch dessen variablen Bestandteil bestimmt wird, fällt mit dem Wachstum des gesamten Kapitals der Anteil des variablen Kapitals proportional ab. Die kapitalistische Akkumulation produziert also kontinuierlich einen Anteil von Arbeitslosen in der Bevölkerung. Marx nannte sie die Überschuss-Arbeiterbevölkerung.

Der Umfang des Arbeitslosenheeres unterliegt stets großen Schwankungen. Diese Fluktuationen werden durch die Veränderbarkeit in der Zusammensetzung des Kapitals hervorgerufen. Ein Wachstum des Kapitals (z.B. als Folge von Erweiterungsinvestitionen) kann aus dem Pool der Arbeitslosen eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften abrufen. Zentralisationsprozesse z.B. durch die Fusion zweier Betriebe können wiederum durch die Umorganisation des Verwaltungsapparates oder des Produktionsbereiches zu einer Entlassung von Arbeitskräften führen.
Arbeitslose Menschen gibt es nicht – wie uns bürgerlichen Ökonomen und Politiker sowie die bürgerlichen Massenmedien glauben lassen wollen – weil sie zu wenig produktiv waren oder über keine fachlichen Kompetenzen verfügen, etc., sondern weil sie eben nicht vom Kapital in der Logik der kapitalistischen Reproduktion verwertet werden konnten. Die Produktion von einem Heer von Arbeitslosen ist neben der Überproduktion elementarer Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise.  
Kommen wir nun zu einem der u.E. wesentlichen Ergebnisse der Marxschen Analyse der kapitalistischen Produktionsweise. Marx fasste das „Allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“ mit folgenden Worten:

„Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible (frei einsetzbare, AG Bildung) Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums.
Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte (Arbeiter-, AG Bildung) -Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarus-schichte (Schicht der Ausgegrenzten, Armen; AG Bildung) der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus (Massenarmut  während der frühen Industrialisierung, AG Bildung).“ (K. Marx, Kapital Bd. 1, S. 669-670)  

zusammen.
Das Elend der fremdbestimmten Lohnarbeit und die Armut des Proletariats kann ein Ende finden, sobald die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, warum sie einerseits immer mehr arbeiten und immer mehr fremden Reichtum produzieren müssen, die Produktivkraft ihrer Arbeit immer größer wird, ihre Lebenssituation andrerseits aber immer prekärer, versklavter und brutaler wird. Sobald es dem Proletariat gelingt, eine kampfesstarke Kommunistische Partei auf Grundlage des Marxismus-Leninismus aufzubauen, wird das Elend der Arbeiter ein Ende finden.
Proletarier aller Länder vereinigt Euch.
Zur Vertiefung der gesellschaftlichen Auswirkungen der kapitalistischen Reproduktion wird auf den Primärtext von K. Marx (Das Kapital, Bd. I, S. 640 – 677 und S. 789 – 792) verwiesen.

AG Bildung

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