AG Bildung: Die Leninsche Imperialismustheorie als Weiterentwicklung der von Marx entdeckten Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus

Zahlreiche technische Neuentwicklungen in der Produktion (z.B. Verbrennungsmotoren, Elektormotoren) sowie neue Produktionsverfahren führten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einer sprunghaften Entwicklung der Produktivkräfte. Die damit einhergehenden Konzentrations- und Zentralisationsprozesse bewirkten einen deutlichen Anstieg der Aktiengesellschaften und der Großbetriebe, die wiederum mit den noch verbleibenden zahlreichen kleineren und mittelgroßen Unternehmen um Marktanteile konkurrierten. Der Kampf um den Warenabsatz und die Überproduktionskrisen verdrängten viele Klein- und Mittelbetriebe vom Markt. Deren Marktanteile wurden von den Aktiengesellschaften und Großbetrieben übernommen.
Auf Grundlage der Marx´schen Abhandlungen über den Kapitalismus analysierte W.I. Lenin die neuen ökonomischen Bedingungen am Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts. Lenin gelangte zu der Erkenntnis, daß die bis ca. Beginn des 20. Jahrhunderts andauernde Phase des frühen Kapitalismus, die Herrschaft der freien Konkurrenz, durch eine neue Phase der kapitalistischen Produktion abgelöst wurde. Letztgenanntes Entwicklungsstadium bezeichnete Lenin als die Herrschaft der Monopole oder den Imperialismus. Da der Imperialismus die reifste und höchstentwickelste Form der Marx´schen Akkumulationstheorie repräsentiert, erwuchs der Imperialismus als Weiterentwicklung und direkter Fortsetzung aus der kapitalistischen Produktionsweise. Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Analyse wurden von Lenin erstmalig in seiner 1916 erschienenen Schrift „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ unter den Bedingungen der zaristischen Zensur veröffentlicht.
Nach Lenin zeichnet sich der Imperialismus durch drei allgemeine Merkmale aus: Imperialismus ist

1. monopolistischer Kapitalismus;
2. parasitärer oder faulender Kapitalismus und  
3. sterbender Kapitalismus.

Diese Besonderheiten, auf die wir im Folgenden eingehen, machen den Imperialismus zu einem historisch besonderen Stadium des Kapitalismus.

Monopolistischer Kapitalismus

Marx legte im „Kapital“ die theoretischen Grundlagen für die Analyse des Kapitalismus. Lenin setzte die wissenschaftlichen Erkenntnisse fort und belegte, dass die freie Konkurrenz eine Konzentration der Produktion auslöst und diese wiederum ab einer bestimmten Entwicklung der Produktivkräfte zum Monopol führt. In dieser ökonomisch begründeten Entwicklung zum Imperialismus arbeitete Lenin fünf ökonomische Merkmale heraus:

1.    “Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen;
2.    Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses „Finanzkapitals“;
3.    der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung;
4.    es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und
5.    die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet.” (S. 270/271)

Die Entstehung der Monopole

In der Periode des vormonopolitischen Kapitals bewirkte das ungeheure Wachstum der Industrie und die rasch verlaufenden Konzentrationsprozesse in der Produktion das Entstehen immer größer werdende Betriebseinheiten. Einher ging die Konzentration des Kapitals mit dem Übergang von der Herrschaft der Konkurrenz zur Herrschaft der Monopole. Die These belegte Lenin in seiner Arbeit mit zahlreichen Daten von europäischen Großunternehmen u.a. aus den Kategorien “Betriebsgröße”, “Anzahl der Lohnarbeiter”, “Jahresproduktion”. Diese Entwicklung impliziert einen für die Menschheit zunächst positiv zu bewertenden
“gigantische(n, d.Verf.) Fortschritt in der Vergesellschaftung der Produktion.” (S. 209),
aber auch zur Bildung von Monopolen und deren Herrschaft..
In der sozialistischen Terminologie weicht die Definition des Imperialismus von der bürgerlichen Ökonomie ab. Im Kapitalismus wird unter einem Monopol die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens verstanden. Wir verstehen dagegen unter einem Monopol ein Zusammenschluss, ein Verband oder eine Vereinigung von kapitalistischen Unternehmen, die einen bedeutenden Anteil der Produktion oder auch des Absatzes einer bestimmten Ware kontrollieren. Ein Monopol liegt zum Beispiel vor, wenn fünf Konzerne 80 % der Autoproduktion kontrollieren und sie ihre Geschäftspolitik – und das ist entscheidend – aufeinander abstimmen. Absprachen zwischen den Kapitalisten sind z.B. bei den Verkaufspreisen (hier sprechen wir von Kartellen) oder bei der Organisation des Rohstoffeinkaufes und Produktabsatzes (d.h. Syndikate) möglich. Andere monopolistische Organisationsformen sind der Trust und der Konzern. Unabhängig von der Auswahl der Form der Absprache verfolgen die Kapitalisten mit den Monopolen besonders hohe Profite, hier spricht man von Monopolprofiten, zu ergaunern.  
Die Absprachen zwischen den Kapitalisten können sehr unterschiedlicher Natur sein: sie können sehr kurzzeitig vielleicht über einen Zeitraum von sechs Monaten oder auch über mehrere Jahre angelegt sein. Weiterhin können die Vereinbarungen räumlich auf eine kleine Region begrenzt oder internationale Gültigkeit besitzen. Daraus können wir folgern, daß Konkurrenzen zwischen Monopolen im Imperialismus grundsätzlich nicht ausgeschlossen sind. Die freie Konkurrenz im frühen Kapitalismus weicht der Konkurrenz innerhalb der Monopole, zwischen den Monopolen innerhalb einer Branche und der Konkurrenz zwischen Monopolen und Nichtmonopolen.  

Das Finanzkapital

Die Allmacht einiger Großbanken in der BRD ist kaum noch zu übersehen. Die Bilanzsummen der Deutsche Bank, der Hypovereinsbank in München, der Commerzbank und noch einige andere umfassen ein Mehrfaches des Staatshaushaltes – diese Banken sind der Inbegriff des Monopolkapitals.
Allein durch Konzentations- und Zentralisationsprozesse lässt sich die Macht der Banken sowie ihren dominierenden Einfluss in der kapitalistischen Wirtschaft aber nicht erklären. Entscheidender für die Macht der Banken ist die Verschmelzung ihres Kapitals mit dem Industriekapital. Aus diesem Zusammenschluss entsteht eine neue, den Kapitalismus nun beherrschende Kraft: das Finanzkapital. Es mutiert zur mächtigsten Kapitalfraktion in der kapitalistischen Welt. Dazu Lenin:
Die „Konzentration der Produktion, daraus erwachsende Monopole, Verschmelzung oder Verwachsen der Banken mit der Industrie – das ist die Entstehungsgeschichte des Finanzkapitals und der Inhalt dieses Begriffs.” (S. 230)
Die Verschmelzung von Bank- und Industriekapital entsteht durch ein tief verschachteltes, kaum zu durchdringendes System von Kapitalbeteiligungen und -verflechtungen. Durch den Besitz von Aktienpaketen erhält das in der frühen Phase des Imperialismus entstandene Finanzkapital Mandate in den Aufsichtsräten der Industieunternehmen. Da die Aufsichtsräte die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft kontrollieren, kann gleichzeitig die Geschäftspolitik als solche entsprechend beeinflusst werden. Je nach Größe des Beteiligungspaketes wechseln auch direkt einzelne Bankmanager in die Vorstände der Industrieunternehmen. Die Verschmelzung von Bank- und Industriekapital ist kein einseitig ausgerichteter Prozess, denn selbstverständlich können auch Industrieunternehmen Aktienpakete von Großbanken erwerben und dadurch Manager aus Industrie und Handel in die Aufsichtsräte und/oder Vorstände der Banken wechseln.
Ein kurzer Blick auf Veröffentlichungen der Deutschen Bank liefert ein anschauliches Beispiel für die Verschmelzung von Aktienkapital und die daraus resultierende Personalunion. Hausinterne Unterlagen belegen, dass die Deutsche Bank im Geschäftsjahr 2008 weltweit an über 2000 Unternehmen  beteiligt war. 21 ihrer 28 Aufsichtsräte nehmen 72 Mandate in verschiedenen Leitungsgremien (Aussichtsräte, Verwaltungsräte, etc.) von weltweit aktiven Kapitalgesellschaften wahr. Die Vorstände und weitere Bankdirektoren der DB nehmen weiterhin mehr als 110 Mandate in den Aufsichtsräten und anderen Gremien zahlreicher Großunternehmen wahr. 9 Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bank besitzen schließlich Vorstandsposten in anderen großen Aktiengesellschaften (z.B. Lufthansa, EON, etc.). Wie kaum ein anderes Unternehmen verkörpert die Deutsche Bank die Kontinuität des deutschen Imperialismus: im I. und II. Weltkrieg war die Deutsche Bank Drahtzieher und Nutznießer der kaiserlichen und faschistischen Expansionspläne. Auch heute ist die Deutsche Bank stellvertretend für das deutsche Finanzkapital führend im Aufbau des deutschen Imperialismus.
Die Allmacht des Finanzkapitals wird auch bei der Betrachtung eines weiteren Aspektes deutlich. Unabhängig von ihrer Größe können die wenigsten Unternehmen Investitionen aus eigener Kraft finanzieren, so daß in der Regel Kredite von dem Finanzkapital aufgenommen werden müssen. Um finanzielle Mittel von den Banken gewährt zu bekommen, wird die Bonität der kreditnehmenden Unternehmen durch die Analyse ihrer Geschäftsbücher geprüft. Dadurch erhält das Finanzkapital tiefe Einblicke u.a. in die Geschäftskontakte und in die zukünftige Unternehmensstrategie. Entsprechend ihrer eigenen Geschäftspolitik und/oder im Interesse der Unternehmen, mit denen sie verschmolzen sind, können die Banken ihre ursprünglichen Geschäftsinteressen durch die Vergabe oder Nichtvergabe von Krediten sowie den ausgehandelten Kreditkonditionen beeinflussen und wahren. Tiefe Einblicke in die Liquidität und Geschäftsgepflogenheiten erlangen die Banken ebenfalls aus der Organisation von Verkäufen neuer Aktienpakete der Großunternehmen.  
Die Konzentrations- und Zentralisationsprozesse im Finanzwesen gehen einher mit einem Funktionswechsel der Banken. Von der ehemals ausschließlich vermittelnden Funktion zwischen unproduktiven und produktiven Kapital wachsen die Banken zu gigantischen Finanzmonopolen heran, die u.a. durch ihre Beteiligungen an Industrieunternehmen, der Absicherung von Finanztransaktionen, der Gewährung milliardenschwerer Kredite, etc. Milliarden und Abermilliarden Euros und Dollars auf allen Ebenen der Ökonomie verwalten und kontrollieren. Von hier aus ist es nur noch ein kurzer Schritt, um das gesamte gesellschaftliche Leben zu durchdringen und zu beherrschen. Das Finanzkapital ist zur mächtigsten Kapitalfraktion und zu einer alles beherrschenden Kraft geworden.
Mit der Entstehung der Monopole und der Verschmelzung vom Banken- und Industriekapital zum Finanzkapital belegt und begründet Lenin in seinem Werk die grundlegenden Veränderungen, die um die Jahrhundertwende zu einem neuen ökonomischen Stadium geführt haben. Die nun folgenden drei Merkmale der Leninschen Imperialismusmusdefinition sind von den ersten beiden abgeleitete Merkmale, denn sie liefern den Zugang zu den internationalen Aktivitäten der mächtigen Großunternehmen. Schließlich äußert sich die Gier der Bourgeoisie in der Expansion, der Bildung internationaler Monopole sowie der Aufteilung und Neuaufteilung der Welt.

Der Kapitalexport

Anfang des 20. Jahrhunderts akkumulierten die Monopole Kapital mit gewaltigen Ausmaß. Aufgrund des zunehmend enger werdenden Spielraumes für die Kapitalverwertung konnte allerdings nur noch ein Teil des akkumulierten Kapitals in den eigenen, hoch entwickelten nationalstaatlichen Ökonomien gewinnbringend angelegt werden (vergl. Beitrag zum „Tendenziellen Fall der Profitrate I und II). Neue Verwertungsmöglichkeiten ergaben sich durch den Export des Kapitals in andere Länder.
Die Basis für den Kapitalexport wurde in der Epoche durch den dominierenden Warenexport des frühen Kapitalismus gelegt. Auf dem Boden der gewachsenen Geschäftsbeziehungen wurde in der Übergangsperiode zum Imperialismus und auch später zunehmend Kapital in ausländische Ökonomien investiert. Bevorzugte Länder des Kapitalexportes sind Länder des Trikonts, in denen geringe Löhne, Steuergeschenke, eine zu allen Schandtaten bereite Kompradorenbourgeosie, schwach organisierte Arbeiter, geringe Umwelt- und Sicherheitsstandards, etc. hohe Profitraten garantierten. Weiterhin wurde in Ländern mit hohen ökonomischen Wachstumsraten bevorzugt das überflüssiger Kapital angelegt.
Allgemein können zwei Formen des Kapitalexportes unterschieden werden:

a)Werden Kredite und/oder Anleihe durch Regierungen, Städte, Industrieunternehmen und Banken aus den hoch entwickelten Ländern gewährt, spricht man von Leihkapital. Meistens ist die Gewährung von Leihkapital an bestimmte Bedingungen geknüpft. So verpflichten sich die kapitalaufnehmenden Länder für das Leihkapital Produkte des kreditgewährenden Landes zu kaufen (z.B. Waffen, Industrieprodukte, Maschinen, etc.) oder sie werden gezwungen, z.B. Aufträge für den Aufbau der Infrastruktur an Unternehmen der kreditgebenden Länder zu vergeben. Eine ebenfalls beliebte Strategie der Imperialisten für die Vergabe von Krediten ist die Nötigung der politische Vertreter des Trikonts, u.a. in internationalen Gremien eine, den Imperialisten angenehme politische Haltung einzunehmen.   
b) Von produktivem Kapital ist die Rede, wenn im Ausland neue Produktionsanlagen gebaut oder Konzessionen für die Produktion bestimmter Waren aufgekauft werden. Aber auch die Beteiligung am Eigenkapital durch den Erwerb von Aktien, u.a. wird als produktives Kapital definiert. Dieses Kapital ist produktiv, weil es unmittelbar der Aneignung von Mehrwert dient.  

Der Kapitalexport beschränkt sich nicht auf die Übergangsperiode zum Imperialismus oder in dessen Anfangsstadium, sondern hält mit zunehmenden Umfang während des gesamten Stadiums an. Die Dimensionen des Kapitalexportes werden deutlich, vergegenwärtigt man sich einige aktuelle Daten aus der bürgerlichen Feder. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/wissen/VULE3D) stiegen die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) von 207,9 Milliarden $ im Jahre 1990 auf über 648,1 Milliarden $ im Jahr 1994. Zu bedenken ist weiterhin, dass die ADI lediglich eine Variable innerhalb des gesamten Kapitalexportes darstellen und allein die EU, die USA und Japan über 80 Prozent der ADI tätigen.

Bildung internationaler Kapitalistenverbände

In dem Maße, wie der Kapitalexport weltweit anstieg, die Binnenmärkte aufgeteilt waren und die vielfältigen internationalen Verbindungen sich in jeglicher Form ausgedehnten, wurde es für das Monopolkapital notwendig, sich in Kapitalistenverbände zu organisieren. Auf diese Art und Weise bildeten sich aus den nationalen Monopolen internationale Monopole, die sich erneut als Kartelle, Syndikate, Trusts und Konzerne organisierten, um durch gemeinsame Preisabsprachen, Vereinbarungen über ihre Absatzwege und -gebiete, Festlegung der Konditionen für den Rohstoffbezug, etc. Monopolprofite zu erzielen.  
Mit der Aufteilung der Welt organisierte sich der Kapitalismus erstmalig auf weltweiten Niveau. Die größten Monopole kapitalisieren ihren Mehrwert weltweit und bauen dort ihre Produktionsbetriebe auf, wo sie auf größtmögliche Profite spekulieren. Mit der weltweiten Konzentration und der Produktion erreichte der Kapitalismus eine neue Stufe mit einem nie dagewesene Konzentrationsniveau.

Die territoriale Aufteilung der Welt ist beendet

Als fünftes Merkmal seiner Imperialismusdefinition beschrieb Lenin den Abschluss der territorialen Aufteilung der Welt als eine Folge des Monopolkapitalismus und des Kapitalexportes. Indem die Monopole ihren nationalen Rahmen sprengten, errichteten sie durch den Kapitalexport ein neues imperialistisches Kolonialsystem. Nunmehr befinden sich die Kolonien im Besitz und unter der Kontrolle der Monopole und ihrer nationalstaatlichen Gebilde.
Das Interesse des Monopolkapitalismus, möglichst große Territorien auf dem Globus zu kontrollieren, liegt in der Struktur der Monopole und ihrem Profitstreben begründet, denn
“Einzig und allein der Kolonialbesitz bietet volle Gewähr für den Erfolg der Monopole gegenüber allen Zufälligkeiten im Kampfe mit dem Konkurrenten…..” (S. 244)
Zu Zeiten Lenins war die Welt unter den Großmächten aufgeteilt. Die imperialistischen Länder besaßen Kolonien und spalteten die Menschheit in zwei Lager. Auf der einen Seite befanden sich die imperialistischen Länder und die Interessen des Monopolkapitals, die die Menschen der Kolonien ausbeuteten und unterdrückten, politisch und wirtschaftlich abhängig machten, ihre Rohstoffe ausbeuteten und bei Bedarf ihre Bevölkerung massakrierten (siehe z.B. der deutsche Imperialismus 1900 in China). In den abhängigen und unterdrückten Ländern selbst hielten sich die Imperialisten eine privilegierte elitäre Kompradorenbourgeoisie, die sich bei der Unterdrückung der überwiegenden Mehrheit der einheimischen Bevölkerung zum Handlanger der imperialistischen Kapitalinteressen machten. Auf der anderen Seite befanden sich die unterdrückten und ausgebeuteten Menschen der Kolonien. Aufgrund der Widersprüche in den Kolonien kam es gegen die Kolonialpolitik des Imperialismus wiederholt zu nationalen Befreiungskämpfen, deren Ziel die Freiheit und Unabhängigkeit der unterdrückten Völker waren. Auf diesen Umstand wies Lenin in seiner Schrift “Das Militärprogramm der proletarischen Revolution” hin. Er schrieb:
“Eine der grundlegendsten Eigenschaften des Imperialismus besteht eben darin, daß er die Entwicklung des Kapitalismus in den rückständigsten Ländern beschleunigt und dadurch den Kampf gegen die nationale Unterdrückung ausbreitet und verschärft. Das ist Tatsache.” (Lenin, W.I. (1917): Das Militärprogramm der proletarischen Revolution. In: Werke 23: S. 73).
Der klassische Kolonialismus, den Lenin studierte, wurde in der späteren Phase der imperialistischen Epoche durch die verschiedenen Formen des Neokolonialismus abgelöst. Die moderne Variante des Kolonialismus zeichnet sich u.a. dadurch aus, daß an die Stelle der direkten und offenen Unterdrückungsmechanismen der klassischen Kolonialverhältnisse nun vielfältige finanzielle und ökonomische Abhängigkeiten zwischen den Ländern des Trikonts und der imperialistischen Länder getreten sind. Diese neokolonialen Abhängigkeitsverhältnisse werden durch die herrschende kapitalistische Klasse derart verschleiert und maskiert, das sie als solche für den Durchschnittsbürger nicht direkt erkenn- und wahrnehmbar sind. Lässt man auch die in der jüngsten Vergangenheit durchgeführten militärischen Interventionen der Imperialisten in den Ländern des Trikonts außer Betracht, sind die „verschleierten“ Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse nicht minder brutal und unmenschlich als ihre veralteten Vorläufermodelle.
Der Imperialismus ist die Epoche der Monopole und des Finanzkapitals. Sein Drang nach Herrschaft und Unterdrückung bedingt im Monopolkapitalismus Veränderungen in der politischen Struktur des Überbaus gegenüber der vorherigen Epoche, dem Kapitalismus der freien Konkurrenz. Auf der Jagd nach den Monopolprofiten müssen die Rechte der Mehrheit der Menschheit immer massiver eingeschränkt werden als bisher. Die Widersprüche im Imperialismus selbst führen zur Wendung von der bürgerlichen Demokratie zu reaktionären Herrschaftsformen und einer noch deutlicher hervortretenden Unterordnung des Staates unter den Bedürfnissen des Monopolkapitals.
Wie wir bereits feststellten, war die ganze Welt Anfang des beginnenden 20. Jahrhunderts unter den imperialistischen Großmächten aufgeteilt. Da die imperialistischen Länder (hier vor allem D, F, GB und die USA) die Einflusssphären ihrer imperialistischen Konkurrenten nicht akzeptierten, strebt jede Großmacht eine Ausdehnung ihres Machtbereiches und die Vormachtstellung in der kapitalistischen Welt an. Die ökonomisch-politische und militärpolitische Entwicklung jedes einzelnen Landes (auch die der Großmächte) erfolgt nun in unterschiedlicher Intensität und Ausmaß. Dieser Zusammenhang wird durch das Gesetz der ungleichen Entwicklung beschrieben. Im Vergleich zu seinen imperialistischen Konkurrenten kann die Macht eines imperialistischen Landes nun im Widerspruch zu der Größe seines Einflussgebietes stehen. Dieser Widerspruch lässt sich nicht friedlich durch Verhandlungen, sondern nur durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Ländern selbst und/oder durch Stellvertreterkriege lösen. Dazu Lenin:
“Die Ungleichheit dieser Verteilung, die Ungleichmäßigkeit seiner Entwicklung – das sind Ergebnisse des modernen Monopolkapitalismus im Weltmaßstabe. Und diese Ergebnisse zeigen, dass auf einer solchen wirtschaftlichen Grundlage, solange das Privateigentum an Produktionsmitteln besteht, imperialistische Kriege absolut unvermeidlich sind.” (S. 194)
und
“Es fragt sich, welches andere Mittel konnte es auf dem Boden des Kapitalismus geben außer dem Krieg, um das Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Akkumulation des Kapitals einerseits und der Verteilung der Kolonien und der “Einflußphären” des Finanzkapitals andererseits zu beseitigen?” (S. 280)
Eine Verschiebung der Einflusssphären und die Neuaufteilung der Welt kann in der imperialistischen Welt also nur durch militärische Optionen in Form von Annexionen und Kriege erfolgen. Die militärischen Interventionen der Imperialisten werden geführt, um Rohstoff- und Absatzwege auszubauen, sie zu kontrollieren oder um den imperialistischen Konkurrenten schlicht und ergreifend zuvor zu kommen. Dazu bedarf es eines reaktionären Staates, der sowohl nach innen als auch nach außen aggressiv die Interessen des Monopolkapitals vertritt.
Der erste und der zweite Weltkrieg sowie die zahlreichen folgenden Kriege z.B. Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak und die Stellvertreterkriege in den Ländern des Trikonts mit ihren Millionen toter Menschen sind Ausdruck der unterschiedlichen, voneinander abweichenden Interessen der imperialistischen Länder. Die mit der Kriegsführung verfolgten Strategie drückt nichts anderes als die Expansionsbestrebungen der imperialistischen Länder und ihrem Bedürfnis nach Neuaufteilung der Welt aus. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im vergangenen und im gegenwärtigen Jahrhundert belegen mehr als deutlich die untrennbare und unheilvolle Allianz zwischen den Monopolen und den reaktionären Kräften eines jeden imperialistischen Landes.

Imperialismus ist faulender und parasitärer Kapitalismus

Der Kapitalismus und hier speziell die Entwicklung zum Monopolkapitalismus entwickelt die Produktivkräfte durch den technischen Fortschritt in der Produktion. Ziele der Produktivkraftentwicklung sind die Senkung der Produktionskosten und die Ausschaltung der Konkurrenz um letztendlich ihre Profite maximal zu erhöhen. Auf den ersten Blick ist der gerade beschriebene Zusammenhang widersprüchlich zu der Feststellung von Lenin, nach der die Produktivkraftentwicklung durch den Fortschritt im Monopolkapitalismus gehemmt wird:  
“In dem Maße, wie Monopolpreise, sei es auch nur vorübergehend, eingeführt werden, verschwindet bis zu einem gewissen Grade der Antrieb zum technischen und folglich auch zu jedem anderen Fortschritt, zur Vorwärtsbewegung; und insofern entsteht die ökonomische Möglichkeit, den technischen Fortschritt künstlich aufzuhalten.”(S. 281)
Wenngleich ein Kapitalist neue Technologien in seinem Betrieb einführt, so liegt seine Motivation für die Kapitalisierung von Mehrwert ausschließlich in der Jagd nach dem Extraprofit. Die Bereitschaft der Kapitalisten Investitionen zu tätigen, nimmt mit zunehmendem Monopolisierungsprozess ab, denn in der Herrschaft der Monopole gibt es andere Methoden als die Jagd nach dem Extraprofit (im Kapitalismus der freien Konkurrenz), um Maximalprofite zu erzielen. Beispielsweise setzen Monopolkapitalisten – wie wir bereits weiter oben gesehen haben – Monopolpreise die unabhängig vom Tauschwert einer Ware sind fest. Die Hemmung der Produktivkraftentwicklung im Monopolkapitalismus beschrieb Lenin richtig als Fäulnis des Kapitalismus.
Die ungeheure Anhäufung von Geldkapital in den Händen einiger weniger Bourgeoiser in einigen wenigen Ländern ist eine weitere Konsequenz des Monopolkapitalismus. Hieraus erwächst eine Schicht von „Rentiers“, die ausschließlich vom “Kuponschneiden” (d.h. aus Dividenden, etc. aus dem Besitz von Wertpapieren) leben. Das Auftreten von Rentiers im Imperialismus bezeichnete Lenin als Parasitismus:  
“Der Imperialismus bedeutet eine ungeheure Anhäufung von Geldkapital in wenigen Ländern…. Daraus ergibt sich das außergewöhnliche Anwachsen der Klasse oder, richtiger, der Schicht der Rentner, d.h. Personen, die vom “Kuponschneiden” leben, Personen, die von der Beteiligung an irgendeinem Unternehmen völlig losgelöst sind, Personen, deren Beruf  der Müßgigang ist. …. verstärkt diese völlige Isolierung der Rentnerschicht von der Produktion noch mehr und drückt dem ganzen Land, das von der Ausbeutung der Arbeit eingier überseeischer Länder und Kolonien lebt, den Stempel des Parasitismus auf.” (S. 281)
Die große Masse der parasitär lebenden, bourgeoisen „Rentiers“ ist nicht mehr am Produktionsprozess beteiligt und sie leben losgelöst von der Bevölkerung. Ihr Job ist losgelöst von der Masse der Bevölkerung der eines Müßiggängers und sie leben von der Arbeit anderer Menschen wie die Maden im Speck. Ihre Tätigkeit beschränkt sich weitestgehend auf den Erwerb von Aktienpaketen oder ihrer Beteiligung an Finanztransaktionen, mit denen sie ihre Herrschaft absichern und auszudehnen gedenken. Gefördert wird die Entstehung einer Rentiersschicht durch den Kapitalexport, garantiert er doch den Raub gigantischer Summen durch maximale Ausbeutung der Arbeiter in den Länder des Trikonts.    

Imperialismus ist sterbender Kapitalismus

Unzweifelhaft ist der Imperialismus in vielerlei Hinsicht ein mächtiger und hochorganisierter Klassengegner. Dem Imperialismus steht ein zu allen Schandtaten und Unterdrückung bereiter Staatsapparat sowie und ein Heer von Medienvertreter zur Manipulation der Massen zur Seite. Der Imperialismus treibt die Widersprüche in den Gesellscaften der Welt aber auch auf die Spitze. Die gesellschaftlichen Widersprüche, d.h. die immer weiter entwickelte gesellschaftlich organisierte Produktion und die private Aneignung des Mehrwertes, werden im Imperialismus am deutlichsten sichtbar. Aber auch die Widersprüche zwischen den unterdrückten Völkern und den imperialistischen Mächten sowie den Widersprüchen zwischen den imperialistischen Mächten selbst sind im Imperialismus auf höchstem Niveau entwickelt.   
Im Imperialismus, dem höchsten Stadium des Kapitalismus, sind die Bedingungen objektiv für den Übergang in eine neue Gesellschaftsordnung gereift. Der Imperialismus ist nun ein sterbender Kapitalismus. Leider stirbt der Imperialismus nicht von alleine und die Herrschaft der Monopole wird nicht automatisch ein Ende gesetzt. Um den Imperialismus mit seinen faulenden und parasitären Wesensmerkmalen zu überwinden, bedarf es eines organisierten und bewussten Proletariats, welches auf Grundlage des wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus die neue fortschrittliche, sozialistische Gesellschaftsordnung aufbaut.
Ein ergänzender Beitrag über den „Imperialismus“ findet sich in der Rubrik „ABC- Kommunismus“ auf der Internetpräsentation der KI.
Für das genaue Studium des Imperialismus weisen wir wie gewohnt auf die Primärliteratur hin. Der Originaltext des „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ ist in Band 22 der Werke von W.I. Lenin ab Seite 269 zu finden.

AG Bildung

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