Das Wesen des Revisionismus

Lenin

Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924)

Der Revisionismus ist eine kleinbürgerliche Strömung in der Arbeiterbewegung, die eine Korrektur des Marxismus-Leninismus fordert, mit dem Ziel, der Arbeiterklasse den revolutionären Inhalt ihrer wissenschaftlichen Weltanschauung zu rauben und durch bürgerliche Theorien zu ersetzen. In der politischen Ökonomie leugnet der Revisionismus die von Marx und Engels nachgewiesenen Gesetzmäßigkeiten der der kapitalistischen Entwicklung. Das führte zu einiger Verwirrung. Darüber schreibt LENIN. Der moderne Revisionismus dagegen versuchte es schlauer anzustellen als zuvor Bernstein und Kautsky. Er hängte sich ein rotes Mäntelchen um und tarnte seine Theorie als „Umgestaltung“ oder „Neues Denken“. Auf diese Weise vermochte es der moderne Revisionismus, wie Kurt Gossweiler schreibt, im Laufe der Zeit selbst „ein granitenes Urgestein, wie die bolschewistische Partei, in eine Puddingmasse zu verwandeln“.

LENIN: Marxismus und Revisionismus

Ein bekannter Ausspruch lautet: Würden geometrische Axiome an menschliche Interessen rühren, so würde man sie sicherlich zu widerlegen versuchen. Naturgeschichtliche Theorien, die an alte theologische Vorurteile rührten, wurden und werden bis zum heutigen Tage aufs erbittertste bekämpft. Kein Wunder, daß die Lehre von Marx, die unmittelbar der Aufklärung und Organisierung der fortgeschrittensten Klasse der modernen Gesellschaft dient, die Aufgaben dieser Klasse aufzeigt und die – kraft der ökonomischen Entwicklung – unausbleibliche Ersetzung der heutigen Ordnung durch eine neue beweist, kein Wunder, daß diese Lehre sich jeden Schritt auf ihrem Lebensweg erst erkämpfen mußte.

Von der bürgerlichen Wissenschaft und Philosophie, die von amtlichen Professoren in amtlichem Geiste gelehrt werden, um die heranwachsende Jugend der besitzenden Klassen zu verdummen und sie auf den äußeren und inneren Feind zu „dressieren“, braucht man gar nicht erst zu reden. Diese Wissenschaft will vom Marxismus nichts wissen, erklärt ihn für widerlegt und vernichtet; sowohl junge Gelehrte, die durch Widerlegung des Sozialismus Karriere machen, als auch Mummelgreise, treue Hüter der verschiedensten verschimmelten „Systeme“ – sie alle fallen mit gleichem Eifer über Marx her. Das Wachstum des Marxismus, die Verbreitung und das Erstarken seiner Ideen in der Arbeiterklasse führen unausbleiblich zu immer häufigerer Wiederkehr und zur Verschärfung dieser bürgerlichen Ausfälle gegen den Marxismus, der aus jeder „Vernichtung“ durch die offizielle Wissenschaft immer stärker, gestählter und lebensfähiger: hervorgeht. (…)

„Die Bewegung ist alles, das Endziel nichts“, – dieses geflügelte Wort Bernsteins bringt das Wesen des Revisionismus besser zum Ausdruck als viele langatmige Ausführungen. Festlegung der Haltung von Fall zu Fall, Anpassung an Tagesereignisse, an das Auf und Ab im politischen Kleinkram, Hinwegsehen über die Grundinteressen des Proletariats, über die Grundzüge der ganzen kapitalistischen Ordnung und über die gesamte kapitalistische Entwicklung, Opferung dieser Grundinteressen um wirklicher oder vermeintlicher Augenblicksvorteile willen, – das ist die revisionistische Politik. Und aus dem eigentlichen Wesen dieser Politik folgt augenfällig, daß sie unendlich mannigfaltige Formen annehmen kann und daß jede einigermaßen „neue“ Frage, jede einigermaßen unerwartete und unvorhergesehene Wendung der Ereignisse, die auch nur im allergeringsten Maße und für allerkürzeste Zeit die grundlegende Entwicklungslinie ändert, stets und unvermeidlich diese oder jene Abart des Revisionismus ins Leben rufen wird…

Quelle: W.I.Lenin, Marxismus und Revisionismus, In: Werke, Bd.15, S. 17ff. (April 1908)


 LENIN: Der Marxismus – Widerspiegelung des gesellschaftlichen Lebens

Gerade weil der Marxismus kein totes Dogma, nicht irgendeine abgeschlossene, fertige, unveränderliche Lehre, sondern eine lebendige Anleitung zum Handeln ist, gerade deshalb mußte er unbedingt den auffallend schroffen Wechsel der Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens widerspiegeln. Als Widerspiegelung dieses Wechsels traten tiefgehender Zerfall, Zerfahrenheit, ein Wanken und Schwanken jeder Art, mit einem Wort – eine höchst ernsthafte innere Krise des Marxismus in Erscheinung. Die entschiedene Abwehr dieses Zerfalls, – der entschlossene und hartnäckige Kampf für die Grundlagen des Marxismus stand wieder auf der Tagesordnung. Außerordentlich breite Schichten jener Klassen, die bei der Formulierung ihrer Aufgaben den Marxismus nicht übergehen können, hatten sich in der vorhergehenden Epoche den Marxismus äußerst einseitig und entstellt angeeignet, indem sie sich diese oder jene „Losungen“, diese oder jene Antworten auf taktische Fragen eingeprägt hatten, ohne die marxistischen Kriterien dieser Antworten begriffen zu haben. Die „Umwertung aller Werte“ auf den verschiedenen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens führte zu einer „Revision“ der abstraktesten und allgemeinsten philosophischen Grundlagen des Marxismus.

Quelle: W.I.Lenin, Über einige Besonderheiten der historischen Entwicklung des Marxismus (Januar 1911)


 GOSSWEILER: Der moderne Revisionismus

Der Revisionismus in den sozialistischen Staaten zeichnet sich unter anderem dadurch aus, daß er den antagonistischen Gegensatz zum Imperialismus vertuscht oder gar leugnet, die Notwendigkeit der Partnerschaft mit dem Imperialismus im Kampf um den Frieden und für die „allgemein-menschlichen Interessen“ propagiert, die Notwendigkeit des revolutionären Sturzes des Kapitalismus für überholt erklärt und die Möglichkeit des friedlichen Weges zum Sozialismus über das Parlament proklamiert; daß er ferner die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Diktatur des Proletariats unter Führung einer marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei leugnet und statt dessen den sozialistischen Staat zum „Volksstaat“ und die kommunistische Partei zur „Volkspartei“ erklärt, und nicht nur erklärt, sondern sich auch daran macht, beiden ihren proletarischen Charakter zu rauben. Der Revisionismus in kommunistischen Parteien der kapitalistischen Länder zielt also auf die Verhinderung proletarischer Revolution, auf die Erhaltung der kapitalistischen Ordnung. Der Revisionismus in den sozialistischen Ländern zielt auf und bewirkte die Demontage der sozialistischen und die Wiederherstellung der kapitalistischen Ordnung.

Der Revisionismus ist der „Weichmacher“ des Imperialismus in seinem Kampf gegen den Sozialismus. Er arbeitet für ihn wirkungsvoller und zuverlässiger als seine modernsten Massenvernichtungsmittel. Wenn man seinem schleichenden Zersetzungswerk keinen Einhalt gebietet, vermag er im Laufe der Zeit selbst granitenes Urgestein, wie die bolschewistische Partei, in eine Puddingmasse zu verwandeln, die selbst ein Pizza-Hut-Vertreter und ein Alkoholiker beiseite zu räumen vermögen.

Die Geschichte ist ein grausamer Lehrmeister. Weil die sowjetischen Gegenspieler der revisionistischen Usurpatoren ihren Kampf gegen die Revisionisten nicht der Leninschen Forderung nach offenem Austragen der Gegensätze entsprechend führten, sondern verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit, erlaubten sie dem „Weichmacher“ des Imperialismus, ungestört die Partei und die Sowjetmacht zu zersetzen.

Lenin lehrte: „Nach unseren Begriffen ist es die Bewußtheit der Massen, die den Staat stark macht. Er ist dann stark, wenn die Massen alles wissen, über alles urteilen können und alles bewußt tun.“ (LW, Bd.26, Berlin 1961, S.246)

Daß nicht immer und nicht konsequent danach gehandelt wurde – das ist, so meine ich, eine der entscheidendsten Ursachen für die Niederlage des Sozialismus. Künftig immer und unter allen Umständen nach dieser Lehre Lenins zu handeln – das ist eine der wichtigsten Lehren aus unserer Niederlage.

Quelle: Kurt Gossweiler, Revisionismus in der kommunistischen Bewegung, Marxistisch-leninistische Schriftenreihe der KPD(B), Heft 14, S. 8, S.30


„Das Scheitern der DDR zeigte sich darin, daß unsere Führung nicht vermochte, gegen die numerische Minderheit der Konterrevolution den Ausnahmezustand geltend zu machen.“ (Peter Hacks)

Quelle: Peter Hacks, Am Ende verstehen sie es. Eulenspiegel Verlag Berlin, 2005, S.159


Siehe auch:
Dr. Kurt Gossweiler – ein unbestechlicher Chronist des Jahrhunderts
Der Bruch in der kommunistischen Bewegung
Marxfälscher und Revisionisten unserer Zeit

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