Die DKP und China – ein weiteres Kapitel

Nun ist es schon ein Jahr her, dass wir unseren ersten Teil unseres Rechenschaftsberichts veröffentlicht haben. Damals zeigten wir auf, warum unter Patrik Köbele, dem neuen „linken“ DKP-Vorsitzenden, keine nennenswerten Veränderungen in Richtung Marxismus-Leninismus stattfinden wird[1]. Bisher behielten wir recht: Leo Mayer ist immer noch in der DKP und ein Bekenntnis zur Kaderpartei leninschen Typ hat es auch noch nicht gegeben. Die Bildung entfaltet sich ebenfalls nicht in der DKP.

 

Sicherlich bedeutet dies nicht, dass es nicht auch Änderungen und Veränderungen gibt, nur eben nicht zum Guten. Dazu zählt auch der pro-China Kurs der neuen DKP Führung, der seit Jahren von der Göttinger DKP/Secarts-Gruppe vorangetrieben wurde – nicht ohne Grund räumten wir dieser Organisation einen kleinen Teil im Rechenschaftsbericht ein[2].

 

Nun wurde auf der offiziellen News-Seite der DKP ein weiterer pro-chinesischer Text veröffentlicht, der die Frage klären soll ob China sozialistisch oder kapitalistisch sei.[3] An dieser Frage knabbert die kommunistische Bewegung der BRD nicht erst seit 1991. Schon zu Zeiten der offenen Klassenauseinandersetzung des Weltsozialismus mit dem Weltimperialismus spielte China eine besondere Rolle, auch für die linke Bewegung der BRD. Die DKP stand an der Seite der sozialistischen DDR und der Warschauer Vertrags-Staaten.

 

Richtigerweise rügten sie Pekings Aggressionen gegen Vietnam[4] und setzten der zersetzenden maoistischen Propaganda die internationale Solidarität entgegen. Das hat sich nach 1991 dramatisch geändert.[5] Es ist geradezu Selbstbetrug bis 1991 von einem antikommunistischem China zu sprechen und ab 1991 von einem sozialistischen China, obwohl die Warenwirtschaft wuchert, wie noch nie zuvor!

 

Aber nun genauer zu ihrem Text. Die DKP hat ihrer Text in drei Teile aufgegliedert. Am Anfang zählen sie Fakten auf, die außer vielen Zahlen nicht viel aussagen (sollen). Sie kommentieren es schließlich nicht. Der mittlere Teil geht auf einige Fehlentwicklungen in China ein. Der Abschluss bezieht sich auf die anfangs genannten Zahlen und endet mit einer Wertung.

 

Der DKP-Text verkündet zu Beginn:

„Zwi­schen 1978 und 2006 ha­ben sich die Ex­por­te Chi­nas von 9,8 Mrd. $ auf 969 Mrd. $ erhöht, das ist fast das Hun­dert­fa­che. 2009 hat Chi­na Deutsch­land als >>Ex­port­welt­meis­ter<< von Platz 1 ver­drängt.“, und weiter: „2005 wur­den 58 % der Ex­por­te durch Fa­bri­ken mit ausländi­schem Ka­pi­tal er­zeugt.“

 

 

Was genau China exportiert, darauf wird im Text nicht weiter eingegangen – Zahlen sollen genügen. Wir schreiben dazu später mehr. Hingegen die Aussage, dass 58% der Exporte mit Fabriken produziert wurden, die mit ausländischem Kapital erzeugt wurden, wird eine deutlichere Sprache sprechen.

 

Die DKP erwähnt also die Tatsache, dass chinesische Arbeiter an Maschinen arbeiten, an privateigenen Produktionsmitteln ausländischer Kapitalisten und dies etwas Besonderes für eine angebliche Arbeitermacht in China sei, weil sie 58% der Exporte ausmachten. Kein Wort von Planwirtschaft. Kein Wort von Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten. Auch nicht der Export von Waren, die in China nicht verkauft werden könnten oder nicht verkauft werden.

 

Ist es denn sozialistisch oder wild und anarchisch, mit ausländischem Kapital und Produktionsmitteln zu produzieren? Andere Länder mit Waren zu überschwemmen ist eigentlich ein Merkmal einer imperialistischen Nation und nicht einer sozialistischen!

 

Aber die DKP und die KP Chinas versuchen sich heraus zu winden, rechtfertigen sich mit fadenscheinigen Argumenten:

„Die­se be­ein­dru­cken­de Bi­lanz be­zeich­nen die chi­ne­si­schen Kom­mu­nis­ten nicht als So­zia­lis­mus, son­dern be­schei­den als >>An­fangs­etap­pe des So­zia­lis­mus<< (XV. Par­tei­tag 2003). Erst in etwa 50 Jah­ren soll das Sta­di­um des ent­wi­ckel­ten So­zia­lis­mus er­reicht wer­den.“

 

Die Sowjetunion stand vor ähnlichen Problemen wie China – wenig Industrie, wenig Infrastruktur und wenig Zentralisation der Produktion. Die Sowjetunion wurde zu einer Weltmacht, weil sie die Warenwirtschaft immer weiter einschränkte und die Planwirtschaft stärkte. Sie bewies die Überlegenheit der Planwirtschaft, weil die Sowjetunion die Industrialisierung in wenigen Jahrzehnten durchschritt, wofür die kapitalistische Entwicklung mehrere hundert Jahre brauchte.

 

China hingegen baut die Märkte aus, schränkt die Planwirtschaft auf einen mickrigen Rest ein, exportiert Kapital ins Ausland und beteiligt sich an imperialistischen Kriegsmissionen. Die chinesische Industrialisierung verläuft anarchisch, Kapitalisten ziehen ihre Investitionen aus Regionen, investieren sie neu, Arbeiter landen auf der Straße.

Das ist überhaupt kein Schritt in Richtung Sozialismus, nicht einmal der Erste!

 

Im Kapitel „Klassenkampf und Korruption“ und „Kampf der Linien“ zeigt die DKP dann offen, was sie von den Anfangs genannten Zahlen denkt.

„So wer­den vie­le der Aus­ein­an­der­set­zun­gen in der Par­tei durch Kom­pro­mis­se gelöst, was die Ge­gensätze in der Par­tei für Außen­ste­hen­de, zu­mal Ausländer, zum Teil ver­deckt und reich­lich Stoff für Kaf­fee­satz­le­sen und Stern­deu­te­rei lie­fert.“

 

Sicherlich gibt es in Kommunistischen Parteien Auseinandersetzungen und Diskussionen über Strategie und Taktik des Klassenkampfes – eigentlich etwas vollkommen Normales. Auf der anderen Seite nutzen revisionistische Parteien und Organisationen eben genau dieses Argument auch die marxistisch-leninistische Wissenschaft zu entstellen und wirkungslos zu machen.

 

„Wer nur ein we­nig mit der Ent­wick­lung der So­wjet­uni­on ver­traut ist, weiß, dass dort die glei­chen Pro­ble­me vor­han­den wa­ren, vom Kriegs­kom­mu­nis­mus zur Neu­en Öko­no­mi­schen Po­li­tik, zur strik­ten Durchführung des ers­ten Fünf­jahr­pla­nes usw.“

 

Richtigerweise sollte gesagt sein, wer nur ein wenig mit der Entwicklung der Sowjetunion vertraut ist, der sollte wissen, dass die NÖP eine reine Geburt der Notwendigkeit war, als das Land nach Krieg, Bürgerkrieg, Intervention und Rückfall der Produktion weit hinter das ärmliche zaristische Niveau einer Hungerkatastrophe entgegenstrebte. Nur aus diesem Zweck lies man in begrenztem Maße für wenige Jahre in der Landwirtschaft Marktwirtschaft zu. Man war sich der Tatsache sehr bewusst, dass die daraus entstehenden Dorfkapitalisten, die Kulaken, zu ernsthaften Feinden des Sowjetstaates wurden.

 

Es bestand kein Zweifel, dass diese der sozialistischen Produktionsweise feindlich gegenüberstanden und die Machtfrage stellen würden. Letztlich ging die sozialistische Produktionsweise aus dieser harten Auseinandersetzung siegreich hervor. In China ist der Einfluss der kapitalistischen Produktionsweise um ein vielfaches größer und hält bereits über Jahrzehnte an. Angesichts der sehr viel größeren und länger anhaltenden „chinesischen NÖP“, dürfte die zum Ende des DKP Textes aufgeworfene Frage nach dem Wer-Wen sich deutlich anders gestalten als in der Sowjetunion. Dies wird auch an der Außenpolitik besonders deutlich, wie wir noch zeigen werden.

 

Wenn also die Kommunistische Partei Chinas die Märkte ausbaut, ihre ZK Mitglieder öffentlich verkünden, dass Ihnen der Marxismus-Leninismus egal sei, die Hauptsache sei, dass ihre Städte genug Profit abwürfen, dann ist das für die DKP-Schreiberlinge anscheinend nur auch taktisches Geplänkel? Wenn dem so wäre, dann täte dies die Kommunistische Partei Chinas so gut, dass keiner mehr merkt, dass sie kommunistisch ist!

 

„Es geht also dar­um, den ka­pi­ta­lis­ti­schen Ti­ger zu rei­ten. Ihm die Spo­ren zu ge­ben, um die Ent­wick­lung zu be­schleu­ni­gen, ohne die Herr­schaft zu ver­lie­ren und her­un­ter­zu­fal­len.

Das pro­ble­ma­ti­sche Eti­kett für die­sen Ritt heißt: so­zia­lis­ti­sche Markt­wirt­schaft!“

 

Die KP Chinas nutzt also die kapitalistische Ausbeutung, Überproduktion, Krise und Entlassungen um den Sozialismus aufzubauen? Ihn „auszunutzen“ haben auch Chruschtschow und Gorbatschow versucht – Ergebnis war die Vernichtung der Arbeitermacht und die Lähmung und Zerstörung der weltweiten kommunistischen Bewegung!

 

Zusammenfassend sagen sie:

„Chi­na ist ein so­zia­lis­ti­sches Land, das die Grund­la­gen der neu­en Ge­sell­schaft auf­baut. Es braucht un­se­re So­li­da­rität im Kampf ge­gen den Im­pe­ria­lis­mus. Un­ser wich­tigs­ter Bei­trag ist der Kampf ge­gen die Bour­geoi­sie im ei­ge­nen Land, aber nicht zu ver­ges­sen: im Kampf ge­gen die­se deut­sche Mo­no­pol­bour­geoi­sie müssen wir ler­nen, die Wi­dersprüche, die sich zwi­schen der Ar­bei­ter­klas­se in ei­nem im­pe­ria­lis­ti­schen Land und der Ar­bei­ter­klas­se im so­zia­lis­ti­schen Chi­na er­ge­ben, auf­zu­de­cken und sie im Klas­sen­kampf frucht­bar zu ma­chen. Etwa auf der Li­nie: Chi­na ex­por­tiert für sei­ne Be­frei­ung, Deutsch­land ex­por­tiert für die Verstärkung der Un­ter­drückung.“

 

Der letzte Satz „China exportiert für seine Befreiung, Deutschland exportiert für die Verstärkung der Unterdrückung“ liegt jeglichem materialistischen Denken fern und ist naivster Idealismus. Lenin charakterisierte den Imperialismus mit 5 elementaren Punkten. Das vulgäre Verständnis von „Imperialismus“ beschränkt ihn auf offen kriegerische und Auseinandersetzungen und Annexionen. Deswegen sollte gerade Punkt 3 beachtet werden:

 

„der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung;“[6]

 

Chinesisches Kapital agiert längst weltweit. Die Preisfrage ist nun, welche Produktionsweise damit vorherrscht? Die kapitalistische, weil chinesische Monopole durch ihre wirtschaftliche Vormacht das letzte Wort in der chinesischen Politik haben oder die sozialistische, weil Chinas Monopole aus gutem Willen „für die Freiheit exportieren“?

 

Ein näherer Blick auf die chinesische Außenpolitik dürfte Licht ins Dunkel bringen, etwa die jüngsten Auseinandersetzungen mit Vietnam um Seegebiete[7]. Ist das nicht die Handschrift des Imperialismus, der bei der Aufteilung der Welt nicht zu kurz kommen will? Wie sieht es mit der internationalen Solidarität aus? Als die westlichen Imperialisten 2011 Libyen überfielen, nutzten sie die UNO als bewährtes Instrument zur Legitimierung ihrer Überfälle.

 

Die Sowjetunion, die DDR und das sozialistische Lager sowie die Verbündeten des sozialistischen Lagers wie etwa Palästina wussten die UNO stets als Bühne gegen die imperialistischen Intervention zu nutzen. Wie hingegen verhielt sich China gegenüber Libyen? Sie legten nicht einmal ihr Veto gegen diesen Überfall auf eine souveräne Nation ein, sondern ermächtigten sie sogar durch ihre Abstinenz von der Abstimmung[8]. Russland tat es China gleich.

 

Als der US-Imperialismus 2013 versuchte, einen Vorwand für einen Überfall auf die Demokratische Volksrepublik Korea zu schaffen und dafür erneut die UNO bemühte, verhielt sich China sogar noch skandalöser und stimmte den Sanktionen (wieder gemeinsam mit Russland) zu! Nicht von ungefähr ging zudem der Versuch, den koreanischen Sozialismus aufzuweichen, von einer konterrevolutionären Fraktion aus, die sich stark nach China orientierte[9]. Dagegen bleibt der heldenhafte, aufopferungsvolle Einsatz der chinesischen Volksfreiwilligen gegen den US-Imperialismus im Koreakrieg (1950 – 1953) unvergessen. So sah eben sozialistische Außenpolitik aus!

 

Dieser Blick auf das Verhältnis zu Nordkorea und das generelle außenpolitische Verhalten zeigt, dass Chinas „sozialistisches Herz“ (oder besser gesagt: was vom sozialistischen Überbau übrig geblieben ist), wohl deutlich weniger wiegt als die vorherrschende kapitalistische Produktionsweise, gemäß der China sich derzeit „friedlich“ mit den anderen Imperialisten die Welt aufteilt.

 

Ein Blick auf den koreanischen Nachbarn zeigt zudem, wie sogar unter wesentlich schlechteren Bedingungen als denen Chinas die sozialistische Produktionsweise aufrechterhalten werden kann, trotz aus Notwendigkeit geborenen Kompromissen wie Industrieparks mit kapitalistischen Ländern. China als ein Riesenreich mit großen Rohstoffvorkommen dürfte ebenso wie die Sowjetunion in der Lage sein, den Sozialismus in einem Land zu errichten, so wie Lenin und Stalin es skizzierten. Wenn die „Kommunistische Partei“ Chinas eines Tages die Macht verlieren sollte, dann nur weil die Herrschaftsform letztendlich der Produktionsform angeglichen wird. Es ist irrsinnig zu glauben den Kapitalismus “ausnutzen” zu können, wenn mit ihm Bewusstseinsdeformationen und Fetische folgen.

 

Der Einfluss von KAZ und Secarts in der DKP wird in kleinem Rahmen immer deutlicher sichtbar. Ob uns nun Leo Mayer ein X für ein U vormacht, wenn er uns Kauskys Ultraimperialismustheorie als „Weiterentwicklung Lenins o. Ä.“ verkauft, oder der Einfluss von Secarts uns Chinas „sozialistische Marktwirtschaft“ als „Weg zum Sozialismus“ verkauft, ist kein entscheidender Unterschied. Beides ist genau das Gegenteil von einer Rückkehr zur Klarheit, zum Marxismus-Leninismus.

 

Wer diese Entwicklung der DKP seit dem 20. Parteitag beschönigt und in salbungsvolle Worte wie Rückkehr zu einer „klaren kommunistischen Politik“[10] kleidet, der trägt zur weiteren Konfusion und Zersetzung bei. Den Untergang der kommunistischen Bewegung der BRD wird das auf jeden Fall nicht bremsen. Nur wenn sich endlich die Klassenbewussten unter ihnen endlich zusammenschließen! Und das gilt auch für die fortschrittlichen Genossen in der DKP!

 

[1] http://www.kommunistische-initiative.de/index.php/dokumente-der-ki/analyse#Der_neue_Parteivorstand_der_DKP

[2] http://www.kommunistische-initiative.de/index.php/dokumente-der-ki/analyse#Secarts

[3]http://news.dkp.de/2014/06/volksrepublik-china-kapitalistisch-oder-sozialistisch/

[4]Aufruf der DKP: Hände weg von Vietnam. Solidarität. Stoppt Pekings Aggressionen
http://www.europeana.eu/portal/record/2022026/11088_DCF77684_2DAA_47DB_A40F_57358C300877.html

[5]http://www.kommunistische-initiative.de/index.php/28-kommunistische-initiative/artikel/1644-dkp-bejubelt-juengste-chinesische-marktreformen

[6] Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus)

[7] http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/china-vietnam-inselstreit-zwischenfall

[8] http://www.theguardian.com/world/2011/mar/18/libya-no-fly-resolution-split

[9] http://www.kommunistische-initiative.de/index.php/28-kommunistische-initiative/artikel/1658-kdvr-konterrevolutionaere-putsch-plaene-in-korea-vereitelt-die-wahren-hintergruende-zu-jang-song-thaek

[10] siehe etwa Artikel von Erika Beltz, Reformisten und Liquidatoren wollen eine Zerreißprobe herbeiführen – Quo vadis, DKP?, Rotfuchs April 2014, Seite 7

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