Imperialismus. Ungebrochene Landnahme in Afrika 2011

»Nicht allein die bereits entdeckten Rohstoffquellen sind für das Finanzkapital von Bedeutung, sondern auch die eventuell noch zu erschließenden, denn die Technik entwickelt sich in unseren Tagen mit unglaublicher Geschwindigkeit, und Ländereien, die heute unbrauchbar sind, können morgen brauchbar gemacht werden, sobald neue Verfahren gefunden {…} und größere Kapitalien aufgewandt werden. Dasselbe lässt sich über Schürfungen von Minerallagerstätten, über neue Methoden der Bearbeitung und Nutzbarmachung dieser oder jener Rohstoffe usw. usf. sagen. Daher das unvermeidliche Streben des Finanzkapitals nach Erweiterung des Wirtschaftsgebietes, ja des Gebietes schlechthin. Wie die Trusts ihr Vermögen auf Grund einer doppelten oder dreifachen Schätzung kapitalisieren, indem sie die in Zukunft „möglichen“ {…} Profite und die weiteren Ergebnisse des Monopols in Rechnung stellen, so ist auch das Finanzkapital im allgemeinen bestrebt, möglichst viel Ländereien an sich zu reißen, gleichviel welche, gleichviel wo, gleichviel wie, immer auf mögliche Rohstoffquellen bedacht und von Angst erfüllt, in dem tollen Kampf um die letzten Stücke der unverteilten Welt oder bei der Neuverteilung der bereits verteilten Stücke zu kurz zu kommen.“ [1]

Untersuchungen belegen, dass etwa ein Drittel des Landes, das in Afrika erworben wird, dem Anbau von Saatgut zur Kraftstoffproduktion dienen soll. Teile dieser Ländereien werden an private oder staatliche Unternehmen oder Investitionsfonds verkauft, aber der Großteil wird verpachtet oder durch Verträge, die den Bauern den Anbau gewisser Feldfrüchte vorschreiben. Daran sind auch Unternehmen der Europäischen Union beteiligt, mit Unterstützung oder Beteiligung der jeweiligen Regierungen. – 

 

»Die Produktion von Agrotreibstoffen konkurriert mit der von Nahrungsmitteln um Anbauflächen genau wie Agrotreibstoffunternehmen mit Bauern um den Zugang dazu. {…} Verlieren lokale Gemeinden den Zugang zu ihren traditionellen Anbauflächen, sind sie mehr und mehr mit Nahrungsengpässen und Hunger konfrontiert – ihr Menschenrecht auf Nahrung ist bedroht.« –

 

Die große Nachfrage nach Anbaufläche hat dazu geführt, dass Wälder abgeholzt werden. Dabei werden wertvolle Rohstoffe zerstört und der Ausstoß an Treibhausgasen steigt. Bauern haben erkannt, dass statt einem garantierten Einkommen wertvolle Wasserressourcen verbraucht und teure Pestizide benötigt werden. Der Anbau von Nahrungsmitteln wurde häufig zugunsten von Monokulturen aufgegeben, was bei den betroffenen Bauern zum Verlust von Einkommen und der Nahrungsversorgung geführt hat. –

 

»Die wachsende europäische und internationale Nachfrage nach Agrotreibstoffen schafft einen Markt. Zwar versprechen afrikanische Politiker, dass Agrotreibstoffe ihre Länder mit heimischer Energie versorgen werden, tatsächlich produzieren ausländische Unternehmen Agrotreibstoffe aber, um sie auf dem internationalen Markt zu verkaufen.« [2]

 

Einige bekannte Fälle von Landnahme in Afrika. [2]

 

Äthiopien

7.000 Quadratkilometer Land sind für Zuckerrohr vorgesehen, 230.000 Quadratkilometer (analog: ehemalige West-BRD) eignen sich für Jatropha (Agrotreibstoff-Pflanze). Das britische Unternehmen Sun Biofuels bewirtschaftet 50 Quadratkilometer, die deutsche Acazis AG pachtet 560 Quadratkilometer und hat Konzessionen für weitere 2.000 Quadratkilometer Land (rund die doppelte Fläche der Regierungshauptstadt Berlin).

 

Kenia

Chinesische, japanische, belgische und kanadische Unternehmen haben vor, ihre vorhandenen Anbaugebiete auf 5.000 Quadratkilometer aufzustocken.

 

Tansania*

Tausend Bauern werden für den Zuckerrohranbau vertrieben.

 

Mozambique

Investoren wollen 48.000 Quadratkilometer (die vom Kapital liquidierte DDR hatte ein Staatsgebiet von 108.333 km²) Anbaufläche erwerben. Über 1.830 km² stehen derzeit für den ‘Bio’-Treibstoffanbau bereit. Beteiligte Unternehmen aus GB, Italien, Deutschland, Portugal, Kanada und der Ukraine.

 

Kongo

Eine chinesische Firma fordert um 10.000 km² Land an. Das italienische Energieunternehmen ENI plant den Anbau von ‘Bio’-Ölpalmen auf 700 km² (mehr Fläche als das vormalige Westberlin).

 

Angola

5.000 Quadratkilometer land sind für den ‘Bio’-Agrotreibstoffanbau bestimmt. Angolanische, brasilianische, spanische und südafrikanische Unternehmen sind beteiligt.

 

Kamerun

Ein kamerunisch-französisches Unternehmen weitet seine ‘Bio’- Anbaugebiete aus, mit einem andauernden Pachtverhältnis von 60 Jahren, auf 580 Quadratkilometer. (Anm. Zu analogen Pachtverhältnissen für internationale Konzerne in China : da nützt auch kein Schwadronieren, dass Land wäre im Staatsbesitz, analog den deutschen ideologischen A-Kriechern, mit deren Verweis auf das staatliche ‘Bodeneigentum’ in China.)

 

Nigeria

Die (korrupte) Staatsbürokratie eignet sich Land mit Hilfe von ausländischen Kapital an. Über 1.000 km² übernommen.

 

Benin

Zwischen 300.000 und 400.000 Hektar (3.000 bis 4.000 km²) Feuchtgebiete sollen in ‘Bio’-Ölpalmplantagen umgewandelt werden.

 

Ghana

Italiens Firma “Agroils“ erwirbt 1.050 km², “Jatropha Africa“ aus Großbritannien 1.200 km², die norwegische “ScanFuel“ bewirtschaftet 1.000 Quadratkilometer und hat bereits Verträge für ca. 4.000 km², “Galten“ aus Israel nimmt weitere 1.000 km² in Besitz.

 

Sierra Leone

Das schweizerische Unternehmen “Addax Bioenergy“ erhält 260 Quadratkilometer für Zuckerrohrplantagen.

 

[2] (Siehe die unvollständige Karte von Landnahme in Afrika)

 

Quellen: [1] W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. VI. Die Aufteilung der Welt unter die Großmächte. Werke, Bd. 22, S. 265/266.

 

[2] Vgl. Report: Afrika: für jedermann zu haben.

Ausmaß und Auswirkungen von Landnahme für Agrotreibstoffe.

http://www.inkota.de/fileadmin/user_upload/Themen_

Kampagnen/Ernaehrung_und_Landwirtschaft/Land_

Grabbing/FoEE_Africa_up_for_grabs_2010_GERMAN.pdf 

 

[2] Siehe hier auch: Bekannte Beispiele von Unternehmen und Land in Äthiopien, Ghana, Mozambique, Nigeria, Sierra Leone, das für Biotreibstoff-Investitionen vorgesehen ist. (Tabellen: Unternehmen – Staaten, akquiriertes Land, Pflanzenart etc.)

 

* Beispielsweise Tansania:

Etwa 40 Firmen in ausländischer Hand, u.a. die britische “Sun Biofuels“ (im Besitz von 80 km² “degradierten“ Waldes) und “D1 Oils“ hatten – mit Unterstützung von internationalen ‘Entwicklungshilfeagenturen’ wie der “ Energieinitiative der EU (EUEI)“, der “Weltbank“, “USAID“ und “DFID“ – in die ‘BIO’- Agrotreibstoff-Entwicklung in Tansania investiert. –

 

»Im Wami-Becken, in Ruipa, Kilosa und in der Usangu-Ebene waren Zuckerrohrplantagen in Planung. Für Kigoma wurde ein Palmöl-Projekt mit Outgrowing-Programm vorgeschlagen und D1Oils plante Outgrowing-Projekte für Jatropha und Sonnenblumen.« – [Outgrowing-Programm, -Projekte: ökonomische Partnerschaft – und nachhaltige Wachstumsmöglichkeit – auf dem Vorzeige-Papier bzw. -Theorie] –

 

»Nach örtlichen und internationalen Protesten hat die Regierung Tansanias Berichten zufolge die Investitionen in Biotreibsotoffprojekte unterbunden, bis eindeutige Verfahren und Richtlinien wirksam sind. Es gibt jedoch keinen triftigen Hinweis darauf, dass diese auch umgesetzt werden.« Vgl. [2] 

 

17.07.2011, Reinhold Schramm

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