Minijobs: Ländlich, westlich, weiblich

Von “Minijobs” kann niemand leben* – und es droht verstärkte Altersarmut**

Vor allem in ländlichen Regionen sind “Minijobs” weit verbreitet.  In manchen Gebieten werden vier von zehn Arbeitsplätzen zu niedrigen Stundenlöhnen auf 400-Euro-Basis an Frauen vergeben. (Geringer Arbeitslohn und hohe Stundenzahl.)

Eine neue Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt die “Minijob”-Daten für jeden Stadt- und Landkreis in Deutschland. Die WSI-Datenbank “Atypische Beschäftigung” führt den Anteil der “Minijobber” an allen Beschäftigungsverhältnissen auf und ist über eine interaktive Landkarte abrufbar. [1]

Im Jahr 2009 war jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis ein geringfügiges. Insgesamt 7,19 Millionen Arbeitsverträge liefen 2009 auf 400-Euro-Basis.

Wie sich dieses große Arbeitsmarkt-Segment über Deutschland verteilt, hat der WSI-Forscher Alexander Herzog-Stein aufgeschlüsselt. Dadurch wird sichtbar, wo sich neben der Leiharbeit diese Beschäftigungsform ausbreitet: Vor allem Betriebe in der westdeutschen Provinz bieten “Minijobs” an, die häufig von Frauen besetzt werden. Die Beschäftigten erwerben kaum Ansprüche auf soziale Sicherung und verdienen pro Stunde nur sehr wenig Geld.

81 Prozent der geringfügig Beschäftigten bekommen nur einen Niedriglohn. Sie verdienen weniger als zwei Drittel des mittleren Lohnes, der nur bei 9,06 Euro pro Stunde liegt. Bei Arbeitslöhnen von unter 9,57 Euro-Std., auch nach mehr als 40-Vollzeit-Arbeitsjahren, liegt die Altersrente unterhalb der geringen gesetzlichen “Grundsicherung” bzw. Sozialhilfe, analog Hartz-IV. (**)

In Westdeutschland gab es im vergangenen Jahr 6,28 Millionen “Minijobber”, in Ostdeutschland weniger als eine Million. Alle westdeutschen Bundesländer haben einen höheren Anteil von “400-Euro-Jobs” an allen Beschäftigungsverhältnissen als die ostdeutschen Länder. Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein mit 23,7 Prozent an allen Stellen. In Ostdeutschland lag dieser Anteil überall unter 15 Prozent.

Das in Westdeutschland der Anteil der “Minijobber” besonders in ländlichen Kreisen sehr hoch ist, dürfte laut Forscher Herzog-Stein mit daran liegen, dass hier viele Partner eine traditionelle Arbeitsteilung pflegen – der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um die Familienarbeit und steuert allenfalls einen (geringen und unterbewerteten) Zuverdienst bei. Zudem sind auf dem Land meist Familie und Beruf schwieriger zu vereinbaren als in den Städten, was vor allem an den unzureichenden Angebot an Kinderbetreuung liegt. Dennoch nimmt eine Stadt den Spitzenwert ein: In Delmenhorst entfallen mehr als 34,3 Prozent aller Arbeitsplätze auf “Minijobs”.

Mehr als 25 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse von westdeutschen Frauen sind geringfügige. Im Landkreis Trier-Saarburg werden 42,2 Prozent aller Frauen-Arbeitsplätze mit maximal 400 Euro vergütet. Die “Minijob”-Quote von Frauen in Ostdeutschland liegt bei 16,6 Prozent, und ist kaum höher als die der Männer. [2]

Das Gros der 400-Euro-Arbeitskräfte – 4,93 Millionen Menschen – bezieht kein anderes Arbeitseinkommen. Sie sind entweder auf das Einkommen von anderen Angehörigen oder auf Hartz-IV angewiesen. In der Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen beiden Jahre ist ihre Anzahl nochmals gestiegen, ein Übergang auf eine Teilzeit- oder Vollzeitstelle gelingt selten.

Der WSI-Wissenschaftler spricht angesichts von fünf Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigten von “einer gravierenden Fehlentwicklung” in Deutschland. [3]

Quellen: [1] Interaktive Karte “Minijobs in Deutschland”.
http://www.boeckler.de/pdf/minijob_2010/index_mini.html
[2] “Minijobs” besonders verbreitet in Westdeutschland.
http://www.boeckler.de/320_110799.html
[3] Atypische Beschäftigung. “Minijobs: Ländlich, westlich, weiblich”.
http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2010_19_ 6-7.pdf  
*) “Minijobs”: Zubrot ohne Perspektive!
http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2010_15_1.pdf
**) Lohnverzicht reduziert Altersrente.
http://www.labournet.de/diskussion/wipo/rente/verzicht.pdf

Merke: “Höhere Löhne für höhere Renten” erkämpfen!

07.12.2010, Reinhold Schramm

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