Volksabstimmung verbietet Minarette und gestattet Waffenausfuhr

Mehrheit für das Minarett-Verbot: schwere Niederlage für den Bundesrat

Bei einer Stimmbeteiligung von 53,4% hat die Schweiz die rechtsbürgerliche Verfassungsinitiative für ein Minarettverbot mit einer Mehrheit von 57,5% JA gegen 42,5% NEIN und mit einem Ständemehr von 19.5 zu 3.5 Kantonen angenommen. Die Landesregierung und die meisten Parteien mit Ausnahme der rechtsbürgerlichen SVP hatten sich gegen diese Initiative ausgesprochen. Die Umfragen gingen noch bis vor Kurzem von einer klaren Verwerfung des Minarettverbots aus, und nun bestätigt sich ein Triumph der Schweizerischen Volkspartei ab, die diesen Abstimmungskampf – wenigstens an der Oberfläche – praktisch allein geführt hat. Die Bundesverfassung wird somit um folgende Bestimmung ergänzt: “Der Bau von Minaretten ist verboten.”
In diesem Moment, wo das Schweizer Volk von allen guten Geistern verlassen scheint, ist es an uns Kommunisten, alle Moslems in unserem Lande willkommen zu heissen und zu versichern, dass sie im Kampf gegen die Islamophobie nicht alleine stehen, sondern dass viele Schweizer, Christen, Juden und andere Gläubige, aber auch Freidenker wie wir Kommunisten, auf ihrer Seite stehen und ihre Gleichberechtigung fordern. Zumal wir wissen, dass nicht wenige von ihnen ihre Heimat und ihre Familien nicht freiwillig verlassen haben, sondern oft genug als Opfer von Kriegen und weiteren imperialistischen Verbrechen dazu gezwungen wurden. Ihnen gilt unsere Solidarität in dieser Stunde.

Was bedeutet dieses Abstimmungsresultat nach innen?

Innerhalb der Schweiz bedeutet dieses Ergebnis, dass die regierende Mehrheit mitsamt ihren Unterkoalitionen eine schwere Niederlage erlitten hat.
Bekanntlich behauptet die Christlichdemokratische Partei der Schweiz (CVP), sie sei eine Partei der vernünftigen Mitte, denn sie regiere in der Sozialpolitik nach links und in der Wirtschaftspolitik nach rechts. Die CVP hat sich zwar auf nationaler Ebene gegen das Verbot von Minaretten ausgesprochen. Dennoch erzielte die SVP-Initiative in den katholischen Stammlanden der CVP in der Deutschschweiz ähnlich hohe Zustimmungsraten wie in den Hochburgen der SVP. Basel-Stadt ist der einzige Deutschschweizer Kanton, der die Initiative (mit 51,6% NEIN) abgelehnt hat. Auch in der Westschweiz, wo Genf, Waadt und Neuenburg NEIN sagten, behielten die Befürworter des Verbots an den Urnen Freiburg und im Jura, den beiden traditionell katholischen Kantonen des Welschlandes mit starker Stellung der CVP, die Mehrheit. Besonders schwer trifft diese Niederlage die Glaubwürdigkeit der sogenannten «Koalition der Vernunft» zwischen neoliberalisierenden Sozialdemokraten einerseits, und den Liberalen anderseits. Die Liberalen geben vor, in Fragen der gesellschaftlichen Öffnung mit den Parteien der Linken zusammen zu gehen.
In der variablen Geometrie dieser Parteien, zu der auch die Kalkulationen der SP hinzugerechnet werden müssen, zeigen sich nun solche Ergebnisse wie die Zustimmung der Mehrheit der Abstimmenden zu einer durch und durch islamfeindlich geprägte Verfassungsbestimmung. Das Resultat beweist, dass die genannten menschenfreundlichen Koalitionen bislang zu keinen greifbaren Ergebnissen gelangt sind, und dass der Obskurantismus in der Schweiz weiterhin voranschreitet.
Das Resultat erklärt sich nicht zuletzt durch die Arbeitsteilung zwischen der rechten SVP und den Parteien der «Mitte». Während die SVP ihren Sieg feiert, betätigt sich CVP-Ministerin Leuthard schon wieder als Steigbügel für weitere Erfolge dieser ihrer offiziellen Gegenpartei: Sie fordert Bestimmungen zur zusätzlichen Beschneidung der Arbeitslosenversicherungsrechte von Ausländern. Die bürgerlichen Parteien und Teile der Sozialdemokratie haben arbeitsteilig vieles von dem verwirklicht, was der andere Part, der Zürcher Flügel der SVP, in seinen Programmen diktiert hat. Nach diesem Abstimmungsergebnis wird möglicherweise einigen von ihnen dämmern, dass sie einen sehr gefährlichen Kurs eingeschlagen haben. Möglicherweise werden einige der vielen Vernünftigen, Gutwilligen usw. einsehen, dass der isolierte Appell an Vernunft und guten Wille zu wenig tief greift, solange der Vernunft keine Wege offen stehen und viele verschlossen gehalten werden. Oder einsehen, dass nur eine grundlegende, umfassendere, tiefer gehende und konsequentere, radikalere Demokratisierung die bestehenden demokratischen Institutionen gegen selbstzerstörerische Ergebnisse sichern kann.
Die Großbourgeoisie hat schon lange darauf spekuliert, die SVP zu stärken und den Fremdenhass als Beil zur Spaltung der Arbeiterklasse zu schärfen. Für den Moment sieht es so aus, als neige dieses Beil nun zu einer gewissen Verselbstständigung, und richte sich auch gegen die aufgeklärte Bourgeoisie, die mit islamischen Ländern gut im Geschäft steht. Wie der Waadtländer FDP-Nationalrat Hugues Hiltpold den Wirtschaftskreisen vorwirft, sollen diese dem gegnerischen Komitee die erbetene finanzielle Unterstützung versagt haben. Der Waadtländer CVP-Nationalrat Jacques Neyrinck befürchtet, dass islamische Länder künftig Schweizer Produkte boykottieren könnten, und rechnet mit Milliardenverlusten. Die Waadtländer SP-Nationalrätin Ada Marra gab sich überzeugt, dass das Abstimmungsresultat auch Auswirkungen auf das Schicksal der in Tripolis festsitzenden Schweizer Geschäftsleute haben wird. Vor den nationalen und internationalen Medien bemühte sich der Bundesrat am Sonntag um Schadensbegrenzung. Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärte, dass das vom Stimmvolk beschlossene Bauverbot für Minarette keine Absage an die Muslime, ihre Religion und ihre Kultur darstelle, sondern sich ausschließlich gegen den Bau von Minaretten richte. Die vier bereits bestehenden Minarette seien nicht betroffen. Moscheen könnten weiterhin gebaut werden.

Was bedeutet dieses Ergebnis nach außen?

Im Verkehr der Völker miteinander sind seit Jahrhunderten immer auch technische Erfindungen, kulturelle Erzeugnisse, geschichtliche Erfahrungen, Theorien und Weltanschauungen ausgetauscht worden. So haben sich unter anderem Religionsgemeinschaften über verschiedene Völker verbreitet. Mit der Annahme der SVP-Initiative stellt sich die Schweiz auf einen ähnlichen Standpunkt wie römischer Kaiser von Rom, der die christliche Religion als unrömische oder nicht abendländische Sache brandmarkt und deren Ausübung einschränkt oder unterdrückt. Die Sache wird noch absurder, wenn man bedenkt, dass das hier angewachsene Christentum nicht auf einheimischem Boden entstanden ist, sondern seinen Ursprung in Vorderasien hat. Wäre es vor 2000 Jahren nach der SVP gegangen, hätte sich das ausländische Christentum hier nicht ausbreiten dürfen und wir würden statt Vaterunser und englischem Gruß germanische Zaubergebete lernen, mit denen man die Fußverrenkung eines Pferdes heilen kann.
Es ist wohlbekannt, dass der aggressive imperialistische Nato-Block von USA, EU und ihrem Vorposten Israel seit Jahren ihre Hetze gegen den Islam intensivieren, und dass allerlei Größen wie der Papst sich am Kreuzzug beteiligen, der die imperialistischen Überfälle und Kriegsdrohungen ideologisch abdecken und rechtfertigen soll, die sich gegenwärtig auf die Völker vieler islamischer Länder wie Palästina, Irak, Afghanistan, Libanon, Iran, Pakistan usw. konzentrieren. Der Fremdenhass, der sich heute vor allem als Moslemhass äußert, wird damit zu einem Kriegsbeil in der Hand der Imperialisten. Auffällig ist vor allem eines: gerade die SVP, welche sich lange Zeit als Verteidigerin der souveränen Schweiz gegen die NATO, die EU usw., angepriesen hat, entpuppt sich ideologisch immer deutlicher als Vorreiterin der aggressiven Hetze gegen die vom Imperialismus bedrohten, angegriffenen oder besetzten Länder, wobei sich der Schwerpunkt der SVP-Tiraden gemäß den Vorgaben der imperialistischen Kriege und Kriegspläne zusehends von Jugoslawien auf islamische Länder Asiens und Afrikas verschiebt.
Das Schweizer Volk ist in eine Falle getreten. Einige sind vielleicht als Christen in diese Falle getreten, weil sie ihr Christentum als Scheuklappe genommen und gemeint haben, der Christenheit einen Dienst zu erweisen, wenn sie eine nicht christliche Religion an der freien Ausübung ihres Kultes hindern. Aber sie erweisen dem Namen des Christentums als tolerante Religion einen schlechten Dienst. Einen besonders schlechten Dienst erweisen sie damit den christlichen Minderheiten in mehrheitlich islamischen Ländern. Denn das heute gängige Recht der dortigen Christen zum Bau von Kirchen (oder allgemeiner gesprochen: die Toleranz des Islams gegenüber christlichen und anderen religiösen Minderheiten) wird einer schweren Prüfung ausgesetzt, wenn christliche Mehrheiten hierzulande Massnahmen gutheissen, die sich einseitig gegen die freie Religionsausübung des Islam richten.
Das Volk wurde förmlich in die Falle gestoßen. Sämtliche Parteien, auch die SP und die Grünen und Exponenten der PdA Waadtland (POP Vaud) haben sich an der jüngsten Hetzkampagne gegen Libyen beteiligt, und die Mehrheit im Bundeshaus hat noch einen obendrauf gesetzt, indem sie Didier Burkhalter am 16. September 2009 in den Bundesrat wählte, einen Mann, der sich mit martialischen Äußerungen gegen Libyen profiliert hatte. Die SVP ist nun die lachende Nutznießerin der groß angelegten antilibyschen, antiiranischen und antiislamischen Kampagnen der letzten Monate und Jahre, an denen so viele Kräfte bis weit ins linke Lager mitgewirkt haben.
Wer solche Entscheidungen verantwortlich trifft oder herbeiführt, muss sich auf Retourkutschen gefasst sein und trägt auch Mitverantwortung für alle Folgen und Überreaktionen, die das Minarettverbot der Schweiz unweigerlich in anderen Ländern provozieren wird.

Verbot von Kriegsmaterialexporten klar abgelehnt

Mit einem sehr deutlichen Stimmenverhältnis von 837.119 JA zu 1.797.876 NEIN (31,8% zu 68,2%) wurde die Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten abgelehnt. Während ein Minarett im eigenen Land den Schweizern als schrecklich gefährliche Angelegenheit vorkommt, sagen sie demnach JA zu Kriegsmaterial, das ausgeführt wird, um hier Profit abzuwerfen und in anderen Ländern zur Detonation zu kommen. Warum? Wegen der Aussicht auf einige Brosamen, die hier vom Tisch der Profiteure fallen könnten?
Von 37 Jahren, am 24. September 1972 war die ähnlich gelagerte Volksinitiative «für eine vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot» vom Volk nur ganz knapp mit 49,7% JA gegen 51.3% NEIN abgelehnt worden.

(29.11.2009/mh) www.kommunisten.ch

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